Fast zwei Jahre nach dem brutalen Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi hat ein saudisches Gericht fünf Angeklagte zu 20 Jahren Haft verurteilt. Damit hob es offenbar eine Ende vergangenen Jahres verhängte Todesstrafe gegen die fünf auf. Drei weitere Personen seien zu Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt worden, meldete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA am Montag unter Berufung auf einen Justizsprecher. Dabei handele es sich um abschließende Urteile.
Diese stießen jedoch auf Kritik. Die UN-Sonderberichterstatterin Agnes Callamard sprach von einer „Justizparodie“. Die Urteile hätten keine Legitimität, sondern stünden am Ende eines Prozesses, der weder fair noch transparent gewesen sei, erklärte sie auf Twitter. Die hochrangigen Verantwortlichen blieben frei. So sei Kronprinz Mohammed bin Salman vor einer genauen Untersuchung geschützt.
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), nannte es offensichtlich, dass dieses Urteil ein taktisches Manöver der saudischen Justiz sei, um vor dem anstehenden G20-Gipel im November die internationalen Kritiker zu beschwichtigen. Die Bundesregierung dürfe sich davon nicht einlullen lassen.
Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad getötet worden. Die Führung des Königreichs war danach scharfer Kritik ausgesetzt. Die saudische Regierung räumte den Mord erst auf internationalen Druck hin ein.
Die Spuren führten damals bis in das engste Umfeld des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, dem eigentlich starken Mann des Landes. UN-Sonderberichterstatterin Callamard kam in einem Untersuchungsbericht zu dem Schluss, dass es glaubwürdige Hinweise auf eine mögliche persönliche Verantwortung des Thronfolgers und anderer ranghoher Vertreter Saudi-Arabiens gebe. Mohammed bin Salman bestritt jedoch, die Ermordung Khashoggis angeordnet zu haben.
In einem international kritisierten Verfahren verurteilte ein saudisches Gericht Ende 2019 fünf Angeklagte zum Tode. Drei Personen erhielten Haftstrafen von insgesamt 24 Jahren. Die Namen der Angeklagten wurden jedoch - wie auch jetzt - nicht veröffentlicht. Damals hieß es, sie sollten unter Verschluss bleiben, bis die Urteile rechtskräftig seien. Ebenso unklar waren die konkreten Vorwürfe. Die Öffentlichkeit blieb von dem Verfahren weitestgehend ausgeschlossen.
Im vergangenen Mai erklärte Khashoggis Familie, dass sie den Tätern vergebe. „Wir, die Söhne des Märtyrers Jamal Khashoggi, erklären, dass wir denjenigen verzeihen, die unseren Vater getötet haben“, schrieb Khashoggis ältester Sohn Salah auf Twitter. Darin sahen Beobachter einen Schritt, um die Todesstrafe gegen die Angeklagten aufzuheben. Das ist nach dem in Saudi-Arabien praktizierten islamischen Recht möglich, wenn die Familie den Tätern vergibt.
Auch die türkische Justiz rollt den Fall auf. Anfang Juli begann in Istanbul ein Prozess gegen 20 Angeklagte, allesamt saudische Staatsbürger. Das Gericht verhandelt gegen sie jedoch in Abwesenheit.
Zweifel an Glaubwürdigkeit des Gerichtsverfahrens in Saudi-Arabien
„Wir wissen immer noch nicht, was mit Khashoggis Leiche passiert ist, wer seinen Tod wollte oder ob es lokale Kollaborateure gab - was Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Gerichtsverfahrens in Saudi-Arabien aufkommen lässt“, erklärte der Kommunikationsdirektor der Türkei, Fahrettin Altun, am Montag.
Altun bemerkte weiter, dass „es eine gesetzliche und gewissenhafte Verpflichtung ist, Licht in den Mord an Jamal Khashoggi zu bringen, der innerhalb der Grenzen der Türkei begangen wurde, und für Gerechtigkeit zu sorgen“.
Der türkische Staatsanwalt kam zu dem Schluss, dass der Mord von Anfang an geplant gewesen sei, sollte Khashoggi nicht einwilligen, nach Saudi-Arabien zu kommen. Er widersprach damit der saudischen Darstellung, wonach es zunächst keine Absichten zum Mord gab.
Khashoggi pflegte lange enge Beziehungen zum saudischen Königshaus, fiel dann aber in Ungnade. 2017 ging er in die USA. Aus dem Exil äußerte er sich immer wieder kritisch zur saudischen Führung, vor allem in Kolumnen für die Zeitung „Washington Post“.