Japan: Tausende nehmen  Abschied von ermordetem Ex-Regierungschef Abe
Tausende haben in Tokio Abschied vom ermordeten japanischen Ex-Ministerpräsidenten Abe genommen. Ein Leichenwagen mit dem Sarg des Verstorbenen fuhr frühere Wirkungsstätten des Politikers ab. Derweil werden Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte laut.
12.07.2022, Japan, Tokio: Das Fahrzeug mit dem Leichnam des ehemaligen japanischen Premierministers Shinzo Abe fährt am Parlament vorbei. (153426+0900/Kyodo News/dpa)

Tausende Menschen haben am Dienstag in Japan Abschied von dem vergangene Woche ermordeten Ex-Ministerpräsidenten Shinzo Abe genommen. Die Trauernden versammelten sich entlang der Straßen im Zentrum Tokios, als ein Leichenwagen mit dem Sarg des Verstorbenen ehemalige Wirkungsstätten des Politikers abfuhr. Zuvor hatten bereits Angehörige und Freunde des langjährigen Regierungschefs an einer privaten Trauerfeier im Zojoji-Tempel teilgenommen.

Mutmaßlicher Täter gab persönliche Beweggründe an

Der Leichenwagen fuhr am Parlament vorbei, am Büro des Regierungschefs sowie an der Zentrale von Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP). Anwohner versammelten sich entlang der Route. Mitarbeiter und Regierungsvertreter, darunter Minister und hochrangige Parteifreunde, verneigten sich respektvoll, als der Wagen vorbeifuhr. Auf dem Beifahrersitz des Leichenwagens saß Abes Witwe Akie.

Abe war am Freitag bei einem Wahlkampfauftritt in der westjapanischen Stadt Nara niedergeschossen worden. Wenige Stunden später wurde der 67-Jährige im Krankenhaus für tot erklärt. Das Attentat wurde von einem 41-jährigen Arbeitslosen verübt. Dieser begründete sein Attentat mit einer angenommenen Nähe Abes zur sogenannten Vereinigungskirche, auch als „Mun-Sekte“ bekannt. Gegen diese hegte er aus familiären Gründen einen Groll.

Die Trauerfeier im Zojoji-Tempel fand im privaten Kreis statt, eine öffentliche Zeremonie ist erst für einen späteren Zeitpunkt geplant. Große Menschenmenge vor Tempel

Vor dem Tempel hatte sich eine größere Menschenmenge versammelt, um Abe die letzte Ehre zu erweisen. Viele Menschen brachten Blumen mit, viele trugen Schwarz. „Ich kann meine Trauer nicht überwinden, deswegen bin ich hergekommen, um Blumen niederzulegen und ein Gebet zu sprechen“, sagte der 41-jährige Tsukasa Yokawa. Er bezeichnete Abe als „großen Ministerpräsidenten“, der viel getan habe, um Japans globale Rolle zu stärken.

Die 51-jährige Krankenschwester Yuko Takehisa nannte das Attentat auf den Ex-Regierungschef „abscheulich“. Sie beklagte, dass „mehr hätte getan werden können“, um den Mord zu verhindern.
Polizei räumte Mängel bei Schutzmaßnahmen ein

Die örtliche Polizei hatte bereits eingeräumt, dass die Schutzmaßnahmen für Abe unzureichend gewesen seien. Satoshi Ninoyu, Vorsitzender der Nationalen Kommission für Öffentliche Sicherheit, kündigte am Dienstag eine vollständige Überprüfung eventueller Sicherheitsversäumnisse an.

Abes Bruder, Verteidigungsminister Nobuo Kishi, nannte den Mord am Dienstag „einen Terrorakt“. Der 81-jährige Vize-Regierungschef Taro Aso erinnerte in seiner Trauerrede an seinen engen Vertrauten Abe. „Du hättest eine Grabrede für mich halten sollen“, zitierten japanische Medien den 81-Jährigen. „Das hier ist sehr schmerzhaft.“

Laut Außenminister Yoshimasa Hayashi waren bis Dienstag mehr als 1700 Beileidsbekundungen aus 259 Ländern, Territorien und von internationalen Institutionen eingegangen. Taiwans Vize-Präsident Lai unter den Trauergästen

Zu den Trauergästen gehörte nach Angaben taiwanischer Medien auch Taiwans Vize-Präsident William Lai, der überraschend nach Tokio reiste. Das Außenministerium in Peking kritisierte den Besuch und warf Taiwan vor, Abes Tod als „Gelegenheit für politische Manipulation“ zu nutzen.

Die Volksrepublik China sieht das vor seiner südöstlichen Küste liegende Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt.

Japans Außenminister Hyashi versicherte, Lai sei als Privatperson angereist. An Japans Strategie, die Beziehung zu Taiwan auf einer nichtpolitischen Ebene zu führen, habe sich nichts verändert, versicherte er.

AFP