Iranischer Top-General bei US-Raketenangriff im Irak getötet
Die USA haben die Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani bestätigt. TRT hat mit mehreren Experten über die regionalen Auswirkungen gesprochen.
Iranische Revolutionsgarde (AFP)

von Ali Özkök

Die USA haben sich zu dem Anschlag auf den Kommandanten der iranischen Elitetruppe Al-Kuds durch einen Luftangriff auf den internationalen Flughafen in Bagdad bekannt. Der Chef der Einheit, Kassem Soleimani, sei bei einem US-Luftangriff getötet worden, gab das Pentagon am Freitag bekannt. In diesem Zusammenhang verlautbarte das Pentagon:

„Auf Weisung des Präsidenten hat das US-Militär entschiedene Verteidigungsmaßnahmen ergriffen, um US-Personal im Ausland zu schützen, indem es Kassem Soleimani tötete.“

Inzwischen bestätigte der iranische Revolutionsführer Ali Chamenei auf Twitter den Tod des al-Kuds-Anführers. In einer Stellungnahme schwor Chamenei, dass sich der Iran für den Angriff der USA rächen wird.

Washington erklärt, dass der Schlag der Abschreckung künftiger iranischer Angriffspläne dient. Die US-Seite behauptet, dass der al-Kuds-Anführer Soleimani in den vergangenen Monaten Angriffe auf Stützpunkte im Irak „orchestriert“ und die „Angriffe“ auf die US-Botschaft in Bagdad in dieser Woche genehmigt hätte.

Im Gespräch mit TRT erklärte der Politikanalyst Doktor Ali Bakeer über die jüngsten Entwicklungen im Irak:

„Obwohl dieser Angriff für fast alle eine Überraschung war, ist er die logische Folge. Iran ignorierte mehrere rote Linien der USA.“

„Der Zwischenfall könnte ein Wendepunkt sein, wenn es um die expansive Agenda des Irans geht, wenn man die zentrale Rolle von Soleimani in der iranischen Außenpolitik berücksichtigt“, ergänzte Ali Bakeer, der regelmäßig für namhafte Medien wie Al Jazeera, Al Monitor oder auch dem Middle East Institute Entwicklungen der Region analysiert.

Die iranische Journalistin Fereshteh Sadeghi mit Sitz im Teheran antwortete auf die Frage von TRT, wie der Iran gegenwärtig auf die Meldung des Todes von Soleimani reagiert, wie folgt:

„Iranische Medien, insbesondere das staatliche Fernsehen, haben ein schwarzes Band der Trauer im Bildschirm eingesetzt und sendet Filmmaterial und Videos des getöteten Kommandanten.“

Die iranische Journalistin glaubt allerdings nicht an einen neuen Bürgerkrieg im Irak wie zwischen 2006 und 2008. Sie erklärte:

Diesmal gibt es keine sunnitischen Aufständischen, die gegen die Zentralregierung zu den Waffen greifen. Im Moment glaube ich auch nicht, dass es eine Eskalation gegen die USA innerhalb des Landes geben wird, weil die USA bereits Verstärkung verlegt haben. Die Folgen werden erst in einigen Wochen oder Monaten zu spüren sein. Ich gehe nicht davon aus, dass es in den nächsten Tagen zu einer sofortigen Eskalation kommt.

Fereshteh Sadeghi unterstrich, dass „eine sofortige Reaktion keine iranische Art der Vergeltung“sein werde. Dennoch sei der Verlust vom Kassem Soleimani ein herber Verlust, fügte die Iran-Expertin hinzu.

„Der Verlust ist groß für den Iran. Aber ich denke, dass er in mehr als zwei Jahrzehnten als Oberkommandeur genug neue Bodenkommandeure ausgebildet hat, die ihn ersetzen könnten. Jedenfalls wusste er, dass er in ständiger Gefahr war und jemanden braucht, der ihn ersetzt. Daher können wir uns keine Veränderung an der Irak- oder Syrien-Front vorstellen“, so Sadeghi.

„Mehr als jeder andere war Soleimani für die Schaffung eines Einflussbogens - den der Iran als seine 'Achse des Widerstands' bezeichnet - verantwortlich, der sich vom Golf von Oman über den Irak, Syrien und den Libanon bis zu den östlichen Ufern des Mittelmeers erstreckt“, schrieb Ali Soufan, ein ehemaliger FBI-Agent und nationaler Sicherheitsanalyst, in einer Analyse 2018, wie The Washington Post zitiert.

Im syrischen Bürgerkrieg half eine massive Intervention der al-Kuds-Truppe, den Kriegsverlauf zugunsten von Präsident Baschar al-Assad, einem regionalen Verbündeten Teherans, zu wenden.

Er soll den Krieg von einer Basis in Damaskus aus koordiniert haben, auf der neben syrischen und iranischen Offizieren auch ein libanesischer Hisbollah-Kommandeur und ein irakisch schiitischer Milizkoordinator präsent waren.

In der Berichterstattung bislang weitgehend übersehen ist die Tötung des Kommandeurs der irakischen Miliz Kataib Hezbollah, Abu Mahdi al-Muhandis. Er war ebenso stellvertretender Leiter der einflussreichen schiitisch dominierten paramilitärischen Schirmorganisation Haschd al-Schaabi (auf Deutsch: Volksmobilisierungskräfte).

Die Miliz Kataib Hezbollah wurde erst vergangene Woche von den USA mit Luftangriffen bombardiert. Abu Mahdi al-Muhandis saß im Konvoi von Kassem Soleimani. Der Angriff auf die zwei schiitischen Kommandeure erfolgte am Flughafen von Bagdad, erklärte Ahmed al-Assadi, Sprecher der irakischen Miliz Hashd al-Schaabi, der Nachrichtenagentur Reuters.

Der Kommandeur einer örtlichen Miliz in Bagdad, Abu Muntasar al-Hussaini, sagte der Nachrichtenagentur Reuters:

„Soleimani und Abu Mahdi al-Muhandis fuhren in einem Fahrzeug, als es von zwei aufeinanderfolgenden Lenkraketen getroffen wurde. Sie wurden von einem amerikanischen Hubschrauber abgefeuert, als die beiden vom Flughafen wegfuhren.“

Al-Hussaini vermutet, dass die USA detaillierte Informationen über die Bewegungen des Konvois gehabt hätten. Der Nahost-Forscher Ali Bakeer mit Sitz in Ankara wiederum fasst gegenüber TRT zusammen:

„Die Iraner und insbesondere Chamenei unterschätzten die Reaktion der USA wie bei der Stürmung der US-Botschaft in Bagdad. Sie zahlten den Preis dafür.“

Auf die Frage, wie sich der Tod der schiitischen Kommandeure auf die geopolitische Lage in Syrien und Irak auswirkt, kommentierte Ali Bakeer:

„Ich glaube nicht, dass der Iran angesichts der harten wirtschaftlichen Lage, seiner regionalen Isolation und der jüngsten Proteste gegen seinen Einfluss in Ländern wie dem Irak und dem Libanon zu einem direkten Gegenschlag bereit ist. Eine indirekte Reaktion durch seine regionalen Alliierten ist jedoch immer eine günstige Möglichkeit.“

Der Tod des ranghohen iranischen Generals Kassem Soleimani und des Kommandeurs Abu Mahdi al-Muhandis wird als massiver Schlag gegen den Iran gewertet und könnte einen Wendepunkt in den Spannungen im Nahen Osten darstellen. Ein ehemaliger Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Mohsen Rezaee, gelobte Rache an Amerika für die Tötung von Soleimani.

„Der Märtyrer-Generalleutnant Kassem Soleimani schloss sich seinen Märtyrerbrüdern an, aber wir werden uns energisch an Amerika rächen“, schrieb Rezaee auf Twitter.

Die iranische Botschaft soll indes erklärt haben, dass mindestens elf Iraner beim Luftangriff in Bagdad in der Nacht getötet wurden.

Diese Woche war es zu gewalttätigen Protesten vor der US-Botschaft in Bagdad gekommen. US-Präsident Donald Trump machte den Iran dafür verantwortlich und drohte mit Vergeltung. Als Konsequenz schickten die USA mehr Soldaten in die Region.

Auslöser der Ausschreitungen waren US-Luftangriffe auf die vom Iran unterstützte Schiiten-Miliz Kataib Hisbollah am Sonntag, bei denen 25 Menschen getötet wurden.

Die USA machen die Miliz für den Raketenangriff auf einen Militärstützpunkt im Nordirak verantwortlich, bei dem am Freitag ein US-Zivilbeschäftigter getötet und vier US-Soldaten verletzt wurden.

Reuters