Vermisstenbeauftragter: Leichenfunde in Isjum kein neues Butscha
Bei den vielen Leichenfunden in Isjum handelt es sich laut dem ukrainischen Vermisstenbeauftragten nicht um ein Massengrab: „Ich möchte das nicht Butscha nennen - hier wurden die Menschen, sagen wir mal, zivilisierter beigesetzt.“
15.09.2022, Ukraine, Isjum: Oleg Kotenko, der Beauftragte für Vermisstenfragen unter besonderen Umständen, filmt mit seinem Smartphone die nicht identifizierten Gräber von Zivilisten und ukrainischen Soldaten, die von den russischen Streitkräften zu Beginn des Krieges getötet worden waren, im kürzlich zurückeroberten Gebiet von Isjum. (DPA)

Bei den Leichenfunden in der befreiten ostukrainischen Kleinstadt Isjum handelt es sich Aussagen des ukrainischen Vermisstenbeauftragten zufolge nicht um ein Massengrab, sondern um viele Einzelgräber. „Ich möchte das nicht Butscha nennen - hier wurden die Menschen, sagen wir mal, zivilisierter beigesetzt“, sagte Oleh Kotenko dem TV-Sender Nastojaschtschee Wremja in der Nacht zum Freitag. Menschen in Isjum wohl durch russischen Artilleriebeschuss gestorben Ende März waren in dem Kiewer Vorort Butscha nach dem Abzug russischer Truppen Hunderte getötete Zivilisten teils mit Folterspuren gefunden worden. Butscha gilt seitdem als Symbol für schwerste Kriegsverbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der am 24. Februar begann. Die Menschen in Isjum wiederum seien wohl gestorben, als Russlands Truppen die Stadt im Zuge der Eroberung Ende März heftig beschossen hätten, sagte Kotenko. „Die Mehrzahl starb unter Beschuss, wir haben das den Daten nach bereits verstanden: Die Menschen kamen um, als sie (die Russen) die Stadt mit Artillerie beschossen“, sagte Kotenko. Die Bestattungsdienste hätten zum Teil nicht gewusst, wer die vielen toten Menschen seien. Deshalb stünden auf einigen Kreuzen nur Nummern. Derzeit bemühten sich die Behörden, ein Register mit den Fundorten der Leichen zu finden. UN-Untersuchungsteam will Isjum so schnell wie möglich aufsuchen Das Untersuchungsteam des UN-Menschenrechtsbüros in Genf will Isjum so schnell wie möglich aufsuchen, wie eine Sprecherin in Genf sagte. Der Fund sei schockierend und die Todesursache jedes einzelnen Verstorbenen müsse untersucht werden. Am Donnerstagabend war der Fund eines Friedhofs mit mehr als 440 Gräbern bekannt geworden. Darunter war dem Internetsender Hromadske zufolge auch ein Massengrab, in dem bis zu 25 getötete ukrainische Soldaten liegen. Fotos zeigen Kreuze in einem Waldstück mit Nummern. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einer ersten Reaktion von einem „Massengrab“, verwies aber zugleich auf weitere Ermittlungen. Isjum war Ende März von den russischen Truppen erobert worden. In der vergangenen Woche wurden diese unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven von dort wieder vertrieben.

DPA