US-Pharmakonzern Johnson & Johnson verschiebt Lieferung in EU
Die USA haben wegen vereinzelter Nebenwirkungen beim Vakzin von Johnson & Johnson die Impfung ausgesetzt. Bis die Verdachtsfälle genauestens untersucht und geklärt worden seien, möchte der Pharmakonzern die Lieferungen in die EU vorerst verschieben.
07.04.2021, USA, Clarksdale: Sharis Carr, Krankenschwester im Aaron E. Henry Gesundheitszentrum, hält eine Packung des Corona-Impfstoffs des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson in der Hand. (DPA)

Neuerlicher Rückschlag für die Impfkampagnen gegen die Corona-Pandemie: Wegen mehrerer Verdachtsfälle schwerer Nebenwirkungen seines Corona-Impfstoffs verschiebt der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson dessen Auslieferung seines Corona-Impfstoffs nach Europa. „Wir haben die Entscheidung getroffen, die Markteinführung unseres Impfstoffs in Europa proaktiv aufzuschieben“, erklärte der Konzern am Dienstag. Kurz zuvor hatten die Behörden in den USA eine Aussetzung der Impfungen mit dem J&J-Vakzin empfohlen, nachdem vereinzelte Fälle von seltenen Blutgerinnseln aufgetreten waren.

In den vergangenen Wochen hatten bereits Thrombosefälle beim Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens Astrazeneca in Europa für Schlagzeilen gesorgt. Wie beim J&J-Präparat handelt es sich auch bei diesem um einen sogenannten Vektorimpfstoff. Ende vergangener Woche berichtete die EU-Arzneimittelbehörde EMA dann von vier Fällen von Blutgerinnseln nach J&J-Impfungen in den USA. Ein Fall verlief tödlich.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA erklärte daraufhin zunächst, bislang keine Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Blutgerinnseln gefunden zu haben. Am Dienstag empfahlen die FDA und die US-Gesundheitsbehörde CDC dennoch „vorsichtshalber“ eine „Pause“ bei den Impfungen, bis eine Untersuchung zu den Thrombose-Fällen abgeschlossen sei.

Die Behörden sprachen von sechs Fällen bei mehr als 6,8 Millionen gespritzten Impfdosen. Betroffen waren demnach Frauen im Alter zwischen 18 und 48 Jahren. Die möglichen Nebenwirkungen – als Hirnvenen- und Sinusthrombosen bezeichnete Blutgerinnsel und ein Rückgang der Blutplättchen – traten demnach sechs bis 13 Tage nach der Impfung auf. Ein US-Expertengremium wird sich am Mittwoch mit den Verdachtsfällen befassen.

Der Impfstoff hatte in den USA Ende Februar eine Notfallzulassung erhalten. Mitte März wurde das Vakzin dann auch in der EU zugelassen. Anders als in den USA ist der Impfstoff in der Europäischen Union aber noch nicht im Einsatz. Die EU-Kommission war zuletzt davon ausgegangen, dass der Impfstoff ab dem kommenden Montag an die EU geliefert wird. Insgesamt sollten im zweiten Quartal 55 Millionen Dosen geliefert werden.

„Wir nehmen solche Warnungen immer ernst“

Nach der Entscheidung der US-Behörden zu Johnson & Johnson sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin: „Wir nehmen solche Warnungen immer ernst und gehen ihnen nach.“ Für Deutschland gebe es dazu bislang aber noch keine Entscheidungen.

Südafrika legte den Einsatz des Vakzins auf Eis. Kanadas Premierminister Justin Trudeau sagte derweil, er verfolge die Entwicklungen in den USA genau. Kanada erwarte aber nach wie vor im April seine erste Lieferung mit dem J&J-Vakzin.

Anders als bei den anderen bisher zugelassenen Corona-Impfstoffen ist bei dem Vakzin von Johnson & Johnson nur eine Impfspritze für einen umfassenden Schutz nötig. Außerdem ist die Lagerung und Auslieferung vergleichsweise einfach.

Der J&J-Impfstoff war deswegen auch in den USA immer mehr eingesetzt worden. Der Corona-Koordinator des Weißen Hauses, Jeff Zients, erklärte am Dienstag aber, die Pause werde keine „bedeutsamen Auswirkungen auf unseren Impfplan“ haben.

Blutgerinnsel-Fälle können Vertrauen in die Impfstoffe untergraben

Bislang mache das J&J-Vakzin weniger als fünf Prozent der verabreichten Impfdosen aus. Außerdem habe sich die Regierung ausreichend Impfdosen der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna gesichert, um nahezu die gesamte US-Bevölkerung zu impfen. Auch US-Präsident Joe Biden sagte, es werde genügend Impfungen für "jeden einzelnen Amerikaner" geben.

Allerdings könnten die Blutgerinnsel-Fälle das Vertrauen in die neuen Corona-Impfstoffe grundsätzlich untergraben – besonders bei jenen Bevölkerungsgruppen, die den Vakzinen ohnehin skeptisch gegenüberstehen. Der Impfstoff von Astrazeneca hat für viele Debatten gesorgt.

Die EMA hat einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Astrazeneca-Vakzin und dutzenden, teilweise auch tödlichen Thrombose-Fällen untersucht. Sie kam zu dem Schluss, dass der Nutzen der Impfung das Risiko überwiege, und empfahl lediglich, Blutgerinnsel künftig als „sehr seltene Nebenwirkung“ des Impfstoffs aufzuführen.

Bei den Vakzinen von Astrazeneca und J&J handelt es sich um sogenannte Vektorviren-Impfstoffe. Dabei transportiert ein ungefährliches Virus genetische Information für ein bestimmtes Eiweiß des Coronavirus.

AFP