Nord Stream 2 fast fertig – Berlin warnt Moskau vor Ausschluss der Ukraine
Russland will das umstrittene Projekt Nord Stream 2 bis zum Jahresende fertigstellen. Die EU und USA äußern ihre Bedenken. Die Bundesregierung betont, dass die Ukraine weiterhin ein Transitland für russisches Gas bleiben müsse.
07. September 2020: Die Gasleitung des Nord Stream 2 in Lubmin (AFP)

Die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 soll nach russischen Regierungsangaben bis Ende dieses Jahres komplett fertiggestellt sein. Dann solle auch mit der Befüllung der Gasleitung begonnen werden, sagte Vize-Regierungschef Alexander Nowak in einem am Sonntag vom russischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Beitrag. Am Freitag hatte Kremlchef Putin überraschend verkündet, der erste von zwei Strängen sei fertig verlegt. Die Arbeiten am zweiten Strang sollten in den kommenden zwei Monaten abgeschlossen werden, sagte Putin.

Nowak erklärte, dass am ersten Strang noch Teile miteinander verbunden werden müssten; die Verlegung der Rohre für den zweiten Strang der Leitung dauere an, sagte er. Russische Medien wiesen darauf hin, dass es auch nach Fertigstellung des ersten Stranges von Nord Stream 1 noch sechs Monate gedauert habe, bis der Betrieb - inklusive aller Genehmigungen - wirklich losging.

Botschafter: Moskau auf weitere Probleme für Betriebsstart vorbereitet

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow sagte im staatlichen TV-Kanal Rossija-1, dass Moskau auf weitere Probleme für den eigentlichen Betriebsstart eingestellt sei. Die internationale Betriebsgesellschaft Nord Stream 2 AG sei auch deshalb in der Schweiz registriert worden, um die Arbeit leichter abzuwickeln.

Kritiker der Pipeline, darunter einige EU-Staaten und die USA, warnen vor einer zu hohen Abhängigkeit von russischem Gas. Sie fordern für den Fall der Fertigstellung der fast komplett gebauten Pipeline, zumindest noch die Befüllung abhängig zu machen von Russlands Politik, die als zunehmend autoritär innenpolitisch und aggressiv außenpolitisch in der Kritik steht.

Nord Stream 2 soll künftig 55 Milliarden Kubikmeter Gas von Russland durch die Ostsee nach Deutschland liefern. Auf dem russischen Teil der Leitung im Leningrader Gebiet sollen in der kommenden Woche die Testarbeiten beginnen. Russland verspricht, unter Umgehung des bisher wichtigsten Transitlandes Ukraine das Gas künftig direkt und günstiger in die EU zu liefern. Der chronisch klammen Ukraine hingegen brechen Milliardeneinnahmen aus den Gebühren des Transitgeschäfts weg.

„Ukraine muss Gastransitland bleiben“

Die Bundesregierung pochte derweil auf eine Einhaltung des Erdgas-Transitvertrages durch Russland auch nach dem Bau der Pipeline Nord Stream 2. „Für die Bundesregierung war und ist zentral, dass die Ukraine auch mit Nord Stream 2 Gastransitland bleiben muss“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ, Montagausgabe) einem Vorabbericht zufolge.

Mit dem Transitabkommen hätten Russland und die Ukraine die Weichen dafür gestellt. „Wir erwarten, dass dieses gemeinsame Vertragswerk auch eingehalten wird.“ Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag erklärt, die Ukraine müsse Entgegenkommen zeigen. Dann würde es weiter den russischen Gastransit nach Europa durch die Ukraine geben und die damit verbundenen Gebühren.

Der russische Gastransit nach Europa über die Ukraine ist in den letzten Jahren nach einer Reihe von Gasstreitigkeiten und einem politischen Patt zurückgegangen. Stattdessen baut Russland die Nord Stream 2-Gaspipeline unter der Ostsee, um die Ukraine zu umgehen.

Agenturen