Lage an belarussisch-polnischer Grenze bleibt dramatisch
Ein Ende der Flüchtlingskrise zwischen Belarus und der EU ist nicht in Sicht. Erneut verbrachten Tausende Migranten an der Grenze die Nacht bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Indes bereitet die EU Sanktionen gegen Minsk vor.
11.11.2021, Belarus, Grodno: Auf diesem vom Staatlichen Grenzkomitee Belarus veröffentlichten Foto wärmen sich Migranten aus dem Nahen Osten und anderen Ländern an einem Feuer an der belarussisch-polnischen Grenze. An der östlichen EU-Außengrenze zu Belarus haben Tausende Migranten eine weitere Nacht in provisorischen Camps in der Kälte verbracht. (Uncredited/The State Border Committee of the Republic of Belarus GPK.GOV.BY/AP/dpa)

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt warten Tausende Menschen an der belarussisch-polnischen Grenze auch nach Tagen weiter auf Hilfe. Staatsnahe belarussische Medien veröffentlichten in der Nacht zum Donnerstag unter anderem Videos von Kindern, die sich um einen Laster mit Trinkwasser drängen. Unabhängige Journalisten werden nicht ins Grenzgebiet gelassen. Nach belarussischen Angaben sollen weitere Menschen aus dem Landesinneren zu den provisorischen Zeltlagern gelaufen sein.
Am Donnerstag soll die Situation an der östlichen EU-Außengrenze den UN-Sicherheitsrat beschäftigen. Frankreich, Estland und Irland beantragten die Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums für den Nachmittag (Ortszeit) in New York, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitsratskreisen erfuhr. Der Rat soll hinter verschlossenen Türen tagen.
Die europäischen Staaten bereiten unterdessen weitere Sanktionen gegen das autoritär geführte Belarus vor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach nach Beratungen mit US-Präsident Joe Biden am Mittwoch im Weißen Haus in Washington von einem „hybriden Angriff eines autoritären Regimes“. Ein neues EU-Sanktionsinstrument, das etwa gegen Fluggesellschaften oder Reiseveranstalter zum Einsatz kommen könnte, soll nach Angaben von Diplomaten bereits am kommenden Montag bei einem EU-Außenministertreffen formell beschlossen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte eine humane Lösung des Flüchtlingsproblems an der Grenze zwischen Polen, Litauen und Lettland sowie Belarus. Man müsse das Problem so lösen, „dass es human zugeht“, sagte sie am Mittwochaben. „Das tut es im Augenblick leider nicht“, ergänzte sie. „Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass die EU ihre Außengrenzen schützen kann.“ Sie habe in einem Telefongespräch den russischen Präsidenten Wladimir Putin gebeten, auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko einzuwirken. „Denn hier werden Menschen benutzt. Sie sind Opfer einer menschenfeindlichen Politik. Dagegen muss etwas unternommen werden.“ Belarus ist finanziell abhängig von Russland und erhält auch in der aktuellen Situation Unterstützung aus Moskau. Der oft als „letzter Diktator Europas“ kritisierte belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko steht in der Kritik, Migranten gezielt aus Krisengebieten einfliegen zu lassen und dann in Richtung der polnischen Grenze zu drängen. Die Vermutung ist, dass der 67-Jährige damit für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition bereits verhängt hat.

Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze hat sich seit Wochenbeginn dramatisch verschlechtert, als Tausende Migranten sich von belarussischer Seite aus auf den Weg in Richtung EU machten. Bereits mehrfach versuchten größere Gruppen vergeblich, die Zaunanlage zu durchbrechen, mit der Polen sie von einem Grenzübertritt abhalten will.

DPA