Vier 10-jährige Kinder sind am Donnerstag von der Polizei im französischen Albertville für mehr als 11 Stunden festgenommen worden. Den Kindern werde vorgeworfen, „Terrorismus verherrlicht“ zu haben, berichtet die Nachrichtenagentur Anadolu (AA) am Donnerstag.
Die Minderjährigen, drei von ihnen mit türkischen Wurzeln, besuchen demnach gemeinsam die fünfte Klasse. Am Mittwoch seien im Unterricht das kontroverse Thema „Charlie Hebdo“ und die beleidigenden Karikaturen über den Propheten Mohammed durchgenommen worden. Dabei hätten die Schüler auch über den ermordeten Lehrer, Samuel Paty, gesprochen. In dieser Unterrichtsstunde sollen die vier Kinder die vorgeworfene Straftat begangen haben.
„Sie sagen, meine Tochter habe etwas über den Mord an dem Lehrer (Paty) gesagt, aber meine Tochter ist erst zehn Jahre alt, sie weiß nicht einmal, was geschehen ist“, sagte einer der Väter der festgenommenen Kinder gegenüber AA. Das seien keine Themen, über die sie zu Hause sprechen würden, erklärte der Vater weiter. „Jeder kennt unsere Familie. Die Schule kennt uns sehr gut; wir hatten mehrere Kinder, die auf dieselbe Schule gingen. Wenn es bei uns zu Hause eine Besorgnis über Radikalisierung gäbe, wüsste es jeder.“
Er prangerte auch die unverhältnismäßige Gewalt an, die die französische Polizei am Donnerstagmorgen anwendete, um seine Tochter – eine Fünftklässlerin – mitzunehmen. Die Polizisten sollen um 09:00 Uhr morgens schwerbewaffnet die Wohnung gestürmt und ihnen befohlen haben, sitzen zu bleiben. Daraufhin hätten sie seine Tochter mitgenommen.
Fragen über Religiosität und türkisch-französische Beziehungen
Anschließend habe die Polizei die gesamte Wohnung abfotografiert und nach Hinweisen auf illegale und extremistische Symbole gesucht. Das ganze Haus sei durchsucht worden. Erst nach einer zweistündigen Wartezeit sei es den Eltern erlaubt worden, auf die Polizeistation zu gehen. Dort seien ihnen Fragen über den Grad ihrer Religiosität gestellt worden. „Sie stellten uns viele Fragen über unsere religiösen Überzeugungen, ob wir beten würden usw.“
„Sie befragten mich und meine Frau jeweils zwei Stunden lang.“ Auch seien politische Fragen an sie gerichtet worden. „Abgesehen von Fragen zu unserer Religion haben sie uns gefragt, was wir von der angespannten Beziehung zwischen Macron und Erdoğan halten.“ Die Fragen seien „unverschämt“ und manchmal „sogar provokativ“ gewesen, sagte der Franko-Türke gegenüber AA. Nicht nur die Art und Weise der Festnahme sowie der Vernehmung sei zu kritisieren. Bis sie ihre Tochter mitnehmen konnten, seien elf Stunden vergangen. Auch sei ihnen kein schriftliches Protokoll oder ähnliches mitgegeben worden.
Auf eine Stellungnahme habe die Polizei in Albertvilleam Donnerstagabend verzichtet und ihre Anfrage unbeantwortet gelassen, berichtet AA. Man könne keine Auskunft über das laufende Ermittlungsverfahren und die Anschuldigungen geben, hieß es lediglich. Auch die betroffene Schule habe sich jeglicher Stellungnahme enthalten.
„Islamophobie-Wahn in Frankreich“
Abdullah Eren, Vorsitzender des Türkischen Amts für Auslandstürken (YTB), kommentierte die Berichte zu den Festnahmen auf Twitter und kritisierte das Vorgehen der französischen Behörden. Eren bezeichnete den Vorfall als „Islamophobie-Wahn in Frankreich“.
Die Festnahme der Kinder sei weder mit Vernunft und Gewissen noch mit Recht erklärbar. YTB werde die Entwicklungen rund um den Fall genauestens verfolgen.