Nach monatelangem Streit haben sich die EU-Energieminister am Montag auf einen Preisdeckel für Gas im Großhandel geeinigt, der unter hohen Auflagen greifen soll. Auch Deutschland, das sich lange gegen eine solche Obergrenze gewehrt hatte, stimmte zu. Damit wollen die EU-Staaten die hohen Energiepreise gemeinsam bekämpfen. Konkret soll der Preisdeckel ab Mitte Februar automatisch aktiviert werden, wenn der Preis an der europäischen Gasbörse TTF in den Niederlanden drei Arbeitstage lang bei über 180 Euro liegt. Darüber hinaus muss der Gaspreis über diese drei Tage mindestens 35 Euro über dem Preis für Flüssiggas (LNG) auf dem Weltmarkt liegen. Am Montag lag der Preis an der Gasbörse TTF bei rund 110 Euro pro Megawattstunde, also unter dem festgelegten Wert.
Deutschland stimmt trotz Skepsis der Obergrenze zu
Auch Deutschland stimmte der Obergrenze zu. „Insgesamt“ könne er sagen, „dass wir genug Instrumente haben“, den Marktkorrekturmechanismus „klug und zielgenau einzusetzen," sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach der Einigung. Damit bezog sich der Minister auf die Sicherheitsbedingungen, unter denen der Deckel ausgesetzt wird: Etwa bei einer erhöhten Gasnachfrage oder stark gesunkenen Lieferungen. Vor allem Deutschland und Österreich hatten sich in den Verhandlungen für solche starken Sicherheitsgarantien eingesetzt. „Eine Skepsis“, dass mit einem Markteingriff Nebeneffekte provoziert würden, „ist geblieben“, fügte Habeck hinzu. Der Grünen-Politiker lobte in einer Erklärung eine zugleich ermöglichte Einigung, die Genehmigungsverfahren für Erneuerbare Energien zu vereinfachen. „Wir haben einen Booster für die Erneuerbaren auf den Weg gebracht“, erklärte er. „Damit wird der Ausbau von Sonnen- und Windkraft in den kommenden Jahren EU-weit massiv beschleunigt.“ Zudem würden sich die EU-Staaten künftig beim Gaseinkauf besser koordinieren und ihre Marktmacht bündeln.
Keine Zustimmung für Energiemix
Einem Vorschlag der Kommission, das Ziel für Erneuerbare im Energiemix zu erhöhen, stimmten die Minister jedoch nicht zu. Sie blieben beim Ziel, dass Erneuerbare EU-weit bis zum Jahr 2030 verbindlich 40 Prozent des Energiemix statt des vorherigen Ziels von 32 Prozent ausmachen sollen. Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Abhängigkeit von russischem Gas hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dieses Ziel noch einmal auf 45 Prozent anzuheben. Seit Monaten hatten viele Länder, unter anderem Frankreich, Belgien und Italien, einen Preisdeckel für Gas gefordert. Deutschland befürchtete jedoch Versorgungsprobleme. Nachdem es auch in der vergangenen Woche bei einem extra zu diesem Thema angesetzten Treffen nicht voran ging, hatte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela am Montagmorgen signalisiert, dass es eine Mehrheitsentscheidung für einen Deckel geben und Deutschland überstimmt werden könnte. Tschechien hat derzeit den turnusmäßigen Ratsvorsitz inne und leitete daher die Verhandlungen. Mehreren Ländern zufolge hatte die tschechische Ratspräsidentschaft als Kompromiss einen Preisdeckel von 188 Euro pro Megawattstunde vorgelegt. Nun einigten sich die 27 EU-Staaten zwar auf einen Preisdeckel, aber dieser sieht anders aus, als die ersten Forderungen der Mitgliedstaaten.
Kreml kritisierte die Preisobergrenze als „inakzeptabel“
Ursprünglich hatten viele Mitgliedsländer einen Deckel gefordert, wie es ihn bereits in Spanien und Portugal gibt. Die dort angewandte Regelung sieht vor, dass die Gaskosten von Stromversorgern gedeckelt werden, um die Strompreise zu senken. Die Differenz zum Marktpreis wird vom Staat ausgeglichen. Dies hatte Habeck abgelehnt.
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) kritisierte den Preisdeckel. „Künstlich verknappte Einkaufsmöglichkeiten können dazu führen, dass Förderländer ihre Tankerschiffe in Länder schicken, wo sie höhere Preise für ihr Gas erzielen können“, erklärte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
Der Kreml kritisierte die Preisobergrenze als „inakzeptabel“. Es handele sich um eine „Verletzung des Prozesses der Preisbildung auf dem Markt“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen.