Was kostet Deutschland der Ukraine-Krieg?
Deutschland kämpft mit den Folgen des Ukraine-Krieges: Steigende Gaspreise, sinkende Industrieproduktion und Milliardenhilfen belasten die Wirtschaft. Bürger verlieren jährlich 2.600 Euro. Wie lange kann die Wirtschaft diese Belastungen tragen?
Was kostet Deutschland der Ukraine-Krieg? / Photo: DPA (DPA)

Die Industrieproduktion in Deutschland ist im Mai unerwartet stark zurückgegangen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank die Gesamtproduktion im Vergleich zum Vormonat um 2,5 Prozent. Dies ist der stärkste Rückgang seit Ende 2022, mit einem Rückgang von 6,7 Prozent im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres.

Besonders die Automobilindustrie verzeichnete einen starken Rückgang von 5,2 Prozent, was den Trend im Mai negativ beeinflusste. Im Vormonat war die Produktion in diesem Sektor noch um 4,5 Prozent gestiegen. Laut Bundeswirtschaftsministerium sank die Produktion auch in den Bereichen elektrische Ausrüstung (minus 7,2 Prozent), Maschinenbau (minus 5,9 Prozent) und Pharmazie (minus 5,4 Prozent) besonders stark.

Nach Beginn des Krieges zwischen Russland und der Ukraine hat Deutschland die Gasimporte aus Russland eingestellt, und die Auswirkungen sind in Deutschland spürbar: Es fließt fast kein Gas mehr aus Russland. Dies belastet die Industrie und den Geldbeutel der Bürger. Ökonom Prof. Sebastian Dullien berechnete für das ARD-Magazin Panorama die Verluste. Das Ergebnis zeigt, dass das deutsche BIP im Vergleich zu anderen Ländern stärker geschrumpft ist. Zum Beispiel ist das BIP in Spanien um 0,4 Prozent, in Italien um 0,6 Prozent, in Frankreich um 2,3 Prozent und in Großbritannien um 2,5 Prozent gesunken. Der EU-Raum ist mit minus 2 Prozent betroffen, Deutschland hingegen mit minus 5 Prozent. Das bedeutet, dass Deutschland fünf Prozent seines BIP verloren hat. Deutsche verloren im Durchschnitt 2.600 Euro pro Kopf, während in Schweden dieser Betrag 1.700 Euro und in Italien nur 230 Euro betrug. Der durchschnittliche Verlust in der EU beträgt etwa 880 Euro. Aufgrund der Folgen der Energiekrise verliert jeder Deutsche etwa 2.600 Euro pro Jahr.

Verdoppelte Gaspreise

Die Gaspreise sind im Vergleich zu den Jahren vor 2020 immer noch doppelt so hoch (30 Euro/MWh statt 15 Euro/MWh). Der Grund dafür ist, dass amerikanisches LNG-Gas (aufgrund von Verflüssigung und anderen Prozessschritten) teurer ist als Pipeline-Gas aus Russland. Daher wird nicht erwartet, dass die Preise auf das alte Niveau zurückkehren.

Im April des letzten Jahres lag der durchschnittliche Gaspreis in Deutschland für Geschäftskunden bei 12,11 Cent/kWh, während er für Industriekunden zum gleichen Zeitpunkt bei 7,75 Cent/kWh lag. Diese Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu den Preisen von 4,52 Cent/kWh und 2,53 Cent/kWh für Geschäfts- und Industriekunden im Jahr 2020.

Ein Hauptgrund für diesen dramatischen Anstieg ist der anhaltende Krieg zwischen Russland und der Ukraine, der zu erheblichen Unterbrechungen der Energieversorgung geführt hat. Insbesondere die Verringerung der Gaslieferungen aus Russland, einem der größten Gaslieferanten Europas, hat die Märkte erheblich beeinflusst und die Preise in die Höhe getrieben. Diese geopolitische Spannung hat nicht nur zu einem direkten Anstieg der Energiekosten geführt, sondern auch die Unsicherheit auf den globalen Energiemärkten erhöht. Deutschland, das stark von russischem Gas abhängig ist, musste schnell auf teurere alternative Energiequellen umsteigen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer diversifizierten und widerstandsfähigen Energiepolitik, um in Krisenzeiten wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.

Bedroht die Hilfe für die Ukraine die deutsche Wirtschaft?

Laut einer Erklärung der deutschen Regierung im Mai 2024 hat Deutschland der Ukraine vom 24. Februar 2022 bis Mai 2024 Hilfen im Wert von etwa 34 Milliarden Euro geleistet. Diese Hilfe kam in Form von humanitärer Unterstützung, direkten Zahlungen oder Waffen. Eine andere Studie zeigt jedoch, dass Deutschland der Ukraine sogar etwa 41 Milliarden Euro Hilfe geleistet hat. Davon entfielen 22 Milliarden Euro auf bilaterale Hilfe und 19 Milliarden Euro auf den EU-Beitrag. Diese Summen machen Deutschland nach den USA zum zweitgrößten Geberland für die Ukraine. Die USA leisteten etwa 69 Milliarden Euro, Deutschland 41 Milliarden Euro, während Frankreich und Großbritannien jeweils etwa 16 Milliarden Euro beitrugen. Gemessen am Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) leistet Deutschland 0,57 Prozent Hilfe.

Auf der anderen Seite sind die wirtschaftlichen Kosten für Deutschland durch den Ukraine-Krieg erheblich gestiegen. Laut DIW-Präsident Marcel Fratzscher hat Deutschland in zwei Jahren Kosten von über 200 Milliarden Euro getragen. Der Wachstumsverlust betrug 2022 100 Milliarden Euro und 2023 140 Milliarden Euro. Diese Kosten entstanden durch hohe Energiepreise und insbesondere durch zunehmende Spannungen mit China. Das IW hat berechnet, dass die deutsche Wirtschaft seit 2020 insgesamt 545 Milliarden Euro verloren hat, wenn man das Szenario ohne Pandemie und Krieg betrachtet.

Ist diese Wirtschaft nachhaltig?

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine konzentriert sich Deutschland sowohl politisch als auch wirtschaftlich stark auf die Ukraine. Der Krieg in der Ukraine trifft Deutschland innerhalb der EU am stärksten, da Deutschland die größte Industrie innerhalb der EU hat und in einem intensiven Wettbewerb mit China steht. Für Deutschland ist das Wachstum in der Wirtschaft und der Industrie von großer Bedeutung, da China sowohl im Bereich der Arbeitskräfte als auch in der technologischen Innovation führend ist. Selbst unter normalen Umständen hat Deutschland Schwierigkeiten, mit China und anderen aufstrebenden asiatischen Staaten mitzuhalten. Der Ukraine-Krieg belastet Deutschland zusätzlich durch finanzielle Hilfen und negative Auswirkungen auf das Wachstum. Eine lange Fortsetzung des Ukraine-Krieges könnte Deutschland am meisten schaden. Daher muss Deutschland seine Politik in Bezug auf den Russland-Ukraine-Krieg überdenken und alternative Strategien entwickeln, um den Krieg auf diplomatischem Wege so schnell wie möglich zu lösen.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher analysierte, Deutschland habe in den letzten zwei Jahren 240 Milliarden Euro an Wachstumsverlusten erlitten. Wenn dieser Krieg noch viele Jahre andauert, wird der direkte Wachstumsverlust für Deutschland jährlich mehr als 100 Milliarden Euro betragen. Und dies ist nur der finanzielle Verlust aufgrund der negativen Auswirkungen auf das Wachstum. Indirekte Verluste könnten die Kosten des Russland-Ukraine-Krieges für Deutschland in den Bereich von Billionen Euro treiben.

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