Politische Isolation populistischer Parteien: Lösung oder Sackgasse?
Die politische Landschaft in Deutschland steht vor einem Wendepunkt: Die AfD erreicht Rekordwerte, etablierte Parteien verlieren Vertrauen. Die Isolation rechtspopulistischer Parteien zeigt wenig Wirkung. Braucht es neue Ansätze gegen den Populismus?
Politische Isolation populistischer Parteien: Lösung oder Sackgasse? / Photo: DPA (DPA)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Bundestag aufgelöst und den Weg für Neuwahlen freigemacht. Die Wahlen werden am 23. Februar stattfinden. Laut den Umfrageergebnissen der Forschungsgruppe Wahlen vom 20. Dezember 2024 zeigen die Wählerpräferenzen in Deutschland im Vergleich zur letzten Wahl ein völlig anderes Bild.

Politische Landschaft im Umbruch: Wählerpräferenzen und Neuwahlen

Die Umfrage sieht CDU/CSU mit 31 Prozent an der Spitze. Dies deutet darauf hin, dass das Vertrauen in die regierende SPD und Kanzler Olaf Scholz dramatisch gesunken ist und die Mitte-Rechts-Parteien ihre starke Stellung in der deutschen Politik behaupten. Die klare Führung der Union spiegelt die Sehnsucht der Wähler nach der Stabilität der Merkel-Ära und den Einfluss traditioneller konservativer Politik wider.

Die SPD verliert weiter an Boden und liegt mit 15 Prozent nur noch auf dem dritten Platz. Es scheint sogar unwahrscheinlich, dass die Partei noch als stärkste Oppositionskraft auftreten kann. Die Grünen hingegen, bekannt für ihre Umwelt- und Sozialpolitik, erreichen in der Umfrage 14 Prozent. Dies entspricht in etwa ihrem Wahlergebnis von 2021 und zeigt, dass die linke Seite des politischen Spektrums trotz ihrer Regierungsbeteiligung in den vergangenen vier Jahren keinen bedeutenden Zuwachs erzielen konnte, ihre bestehende Unterstützung jedoch stabil hält.

Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis betrifft FDP (drei Prozent) und Linke (vier Prozent), die beide voraussichtlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden. Die FDP, die 2021 mit liberalen wirtschaftspolitischen Versprechen 11,5 Prozent erreichte und Teil der Ampelkoalition wurde, wird offenbar von den Wählern für den Zerfall dieser Koalition bestraft. Dieses Ergebnis zeigt, dass beide Parteien Schwierigkeiten haben, ihre Wähler zu mobilisieren, und dass ihre Chancen auf eine parlamentarische Vertretung gering sind.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreicht in der Umfrage etwa fünf Prozent, was die Frage aufwirft, ob die Partei die Hürde überwinden wird. Gleichzeitig zeigt der Anteil von neun Prozent für „Sonstige“, dass ein bedeutender Teil der Wähler nach Alternativen außerhalb der etablierten Parteien sucht.

AfD auf dem Vormarsch: Herausforderung für das politische System?

Das auffälligste Ergebnis der Umfrage betrifft jedoch die Alternative für Deutschland (AfD). Die AfD erreicht 19 Prozent und gewinnt mit ihrer harten Haltung in Fragen wie Migration, Wirtschaft und Identitätspolitik weiter an Zuspruch. Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg könnte die Stimmen der AfD zusätzlich stärken, da der Täter, obwohl er rechtsextreme Ansichten vertritt, einen Migrationshintergrund hat. Dieser Aufschwung wird nicht nur auf die populistischen Aussagen der AfD zurückgeführt, sondern auch als Ausdruck der Unzufriedenheit der Wähler mit dem bestehenden politischen System interpretiert.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass sich die politische Landschaft in Deutschland weiter nach rechts verschiebt und dass die etablierten Parteien, insbesondere die Mitte-Links-Parteien, Schwierigkeiten haben, sich an diese neuen Dynamiken anzupassen. Der kombinierte Stimmenanteil der Union und der AfD könnte in dieser Wahl erstmals 50 Prozent übersteigen – ein historischer Meilenstein. Seit der ersten Teilnahme der AfD an Bundestagswahlen im Jahr 2013 lagen die kombinierten Ergebnisse der Union und der AfD bei 47,8 Prozent (2013), 37,9 Prozent (2017) und 32,8 Prozent (2021).

Basierend auf diesen Umfrageergebnissen wären eine Große Koalition, Schwarz-Grün, eine Kenia-Koalition (Schwarz-Grün-Rot) oder eine Brombeer-Koalition (Schwarz-Rot-BSW) möglich.

Isolation oder Dialog: Strategien gegen den Populismus in Europa

Der Aufstieg der AfD auf 19 Prozent in den Umfragen könnte als tiefgreifende Veränderung des politischen Klimas in Deutschland angesehen werden. Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 hat die Partei kontinuierlich an Unterstützung gewonnen, wobei sie sich auf eine migrations- und islamkritische Rhetorik stützt, zeitweise aber auch die europäische Integration und kulturelle Identitätspolitik ins Visier nimmt. Die zunehmende Stärke rechtsextremer Parteien ist dabei kein rein deutsches Phänomen. Was Deutschland jedoch auszeichnet, ist weniger die Macht der AfD-Rhetorik als vielmehr die Unfähigkeit etablierter Parteien wie CDU/CSU und SPD, auf aktuelle politische Herausforderungen – sowohl innenpolitisch als auch auf EU-Ebene oder im Verhältnis zu globalen Akteuren wie den USA und Russland – wirksame Antworten zu finden.

Die AfD wird seit Jahren von den anderen Parteien in Deutschland faktisch isoliert. CDU, SPD und Grüne haben sich darauf verständigt, keinerlei Koalitionen mit der AfD einzugehen. Diese Strategie der Isolation zielt darauf ab, die AfD zu marginalisieren und ihre Wählerbasis zu reduzieren. Allerdings scheint diese Taktik nicht den gewünschten Effekt zu haben. Stattdessen wird die AfD von Wählern zunehmend als „Opfer“ des politischen Systems wahrgenommen, was ihre Popularität noch weiter steigert. Populistische Parteien profitieren häufig von dieser Art der Ausgrenzung, da sie das Narrativ der „unterdrückten Stimme“ bedienen können. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die politische Situation in Österreich.

In Österreich wurde die rechtsextreme FPÖ bei den letzten Nationalratswahlen stärkste Kraft, doch Bundespräsident Alexander Van der Bellen betraute nicht die FPÖ, sondern ÖVP-Chef Karl Nehammer mit der Regierungsbildung. Auf den ersten Blick scheint diese Entscheidung angesichts der Skandale, die frühere Koalitionen zwischen ÖVP und FPÖ unter der Führung von Sebastian Kurz begleiteten, nachvollziehbar. Doch laut einer aktuellen Umfrage halten nur 31 Prozent der österreichischen Bevölkerung diese Entscheidung für richtig, während 59 Prozent sie als falsch bewerten. Die FPÖ könnte von diesem Unmut profitieren, da sie sich als „ausgeschlossene“ Stimme des Volkes präsentiert. Diese Dynamik könnte ihre Position bei den nächsten Wahlen weiter stärken.

Auch in Deutschland, insbesondere in Ostdeutschland, nutzt die AfD das Narrativ der „Opferrolle“, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Diese Strategie könnte ihre ohnehin starke Position in der Region noch weiter ausbauen. Daher sollte die Antwort auf den Aufstieg rechtsextremer Parteien nicht in einer reinen Ausgrenzung bestehen, sondern in der Entwicklung von Gegenstrategien, die ihre Argumente entkräften. Parteien wie CDU, SPD oder Grüne müssen klare und glaubwürdige Alternativen bieten und dabei populistische Rhetorik vermeiden. Themen wie Migration, soziale Reformen und wirtschaftliche Ungleichheit erfordern klare und durchsetzungsfähige Politiken.

Die Erfahrungen in Europa zeigen, dass populistische Bewegungen insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialer Spannungen florieren. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen politische Akteure echte und konkrete Lösungen anbieten, die auf die Sorgen und Bedürfnisse der Wähler eingehen. Die Bekämpfung von Ungleichheiten, die Förderung sozialer Integration und die Verbesserung der Lebensbedingungen in strukturschwachen Regionen könnten den Einfluss populistischer Parteien entscheidend mindern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die politische Isolation rechtsextremer Parteien kurzfristig eine gewisse Stabilität gewährleisten mag, jedoch langfristig nicht ausreicht, um ihren Einfluss zu begrenzen. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich zeigt sich, dass populistische Kräfte durch diese Strategien an Stärke gewinnen können. Um diesem Trend entgegenzuwirken, bedarf es einer neuen politischen Strategie, die sich auf Inklusion, Dialog und substanzielle Reformen konzentriert. Nur so können demokratische Gesellschaften den Herausforderungen des Populismus nachhaltig begegnen.

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