NATO und die türkisch-deutsche-österreichische Dreiecksbeziehung
Ankaras „Ja“ zu Schwedens NATO-Beitritt ist ein gutes Zeichen der türkischen Allianz-Einsatzbereitschaft. Ist dadurch auch eine engere Kooperation zwischen Deutschland, Österreich und Türkiye möglich?
Türkiye und NATO-Fahne (Others)

Letzte Woche Donnerstag unterzeichnete Präsident Recep Tayyip Erdoğan per Dekret das Protokoll der Sitzung des Parlamentsplenums, in dem mit überwältigender Mehrheit – 287 „Ja“ gegenüber 55 „Nein“ bei vier Enthaltungen – dem Beitritt Schwedens zur NATO zugestimmt wird. Läutet Ankaras Zustimmung eine neue Ära im Kontext Schweden-Türkiye ein? Und wie wird sich diese neue Nord-Süd-Schiene auf die Beziehungen zwischen Deutschland, Österreich und Türkiye auswirken?

Schweden und Türkiye – so viel mehr als nur die NATO-Frage

Politische Kontakte und Beziehungen zwischen Schweden und Türkiye haben eine lange Geschichte und begannen Anfang des 18. Jahrhunderts. Nach der Niederlage gegen Russland 1709 regierte Schwedens König Karl XII. sein Land aus dem Exil vom Osmanischen Reich. 1737 wurde ein Handelsabkommen und 1739 die Allianz für Frieden, Einheit und Freundschaft unterzeichnet. Näher an unserer Zeit wurde 2013 die Deklaration über eine strategische Partnerschaft beschlossen.

Das Handelsvolumen betrug 2022 1.701 Millionen Dollar an Exporten sowie 2.198 Millionen Dollar an Importen nach Türkiye. Im Rahmen der JETCO-Vereinbarung 2014 („Türkiye-Sweden Joint Economic and Trade Committee“) trafen sich die Delegationen zuerst 2021, wobei nunmehr ein reger Besuchsverkehr erwartet wird. Und nach der Vilnius-Erklärung vom Sommer 2023 wurde allen Beteiligten klar, dass der Zeitpunkt für eine Revitalisierung bilateraler Beziehungen gekommen war.

Erweiterung der wirtschaftlichen Kooperation möglich

Eine erhöhte Wertschätzung Ankaras in Stockholm und die Unterstützung vor allem in Fragen einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft, Visa-Liberalisierung und Modernisierung der Zollunion dürften auch in Berlin und Wien nicht ungehört verhallen.

Das gegenseitige Lernen von „best practices“ wird vor allem von Wirtschaftskreisen in Deutschland und Österreich sehr gerne gehört. Martin Glatz, Büroleiter und Handelsberater bei Advantage Austria Nordics in Stockholm, der Wirtschaftsabteilung der Botschaft der Republik Österreichs in Schweden, sagte hierzu nach heutiger Anfrage, dass u.a. Maschinen- und Anlagenbau, KFZ-Zulieferungen, Umwelttechnik, Life Science, Infrastruktur und Holzbau zum konkurrenzfähigen Angebot Österreichs in Schweden und anderswo, also auch Türkiye, gehören.

Die Deutsche Botschaft in Ankara führt hierzu aus: „Deutschland ist das führende Herkunftsland von ausländischen Direktinvestitionen in Türkiye (…) Derzeit existieren rund 7.700 deutsche Unternehmen bzw. türkische Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in Türkiye. Das Investitionsvolumen deutscher Unternehmen in Türkiye seit 1980 beläuft sich auf nahezu 14,5 Milliarden Dollar. Beim größten Teil dieser Investitionen handelt es sich um langfristige Neuinvestitionen, sogenannte „Greenfield-Investitionen“, durch die Hunderttausende Arbeitsplätze in Türkiye geschaffen werden.“

Die Annahme, dass mehr als nur bilaterale Wirtschaftskooperation oftmals eine gute Lösung oder gar die beste ist, erleben wir gerade in der türkischen Region Antakya. Ein internationales Konsortium unter Führung einer Architekturfirma in Österreich mit u.a. einer dänischen Partnerfirma und natürlich türkischen Partnern ist in zwei Pilotprojekte eingestiegen. Abdulletif Çiftci, Geschäftsführer bei INNTECH Ingenieurbüro für TGA-Planungen GmbH, erläuterte hierzu auf Nachfrage, dass sie in einem international besetzten Team nach dem verheerenden Erdbeben Anfang letzten Jahres beauftragt wurden, ein Energiekonzept für den Wiederaufbau von Antakya zu erstellen. Aufgabenstellung ist es, eine vollständige autarke, regenerative Energieversorgung für rund 1200 neu zu errichtende Wohnungen und über 30.000 Quadratmeter Gewerbefläche zu realisieren.

Abschluss und Ausblick

„Best practices“ aus Österreich und Deutschland Richtung Türkiye, aber auch Know-how aus Türkiye Richtung DACH-Region garantieren ein erhöhtes Investitionsvolumen allseitig, und Schweden sowie Erfahrung im Green Clean Energy-Sektor inklusive Smart Cities als Schnittpunkt könnten hierbei Schlüssel zum langfristigen Erfolg werden. Das NATO-Thema ist vom Tisch, und mit Schweden als Türkiye-Advokat in der EU könnten sich darüber hinaus grundlegende verhärtete politische Fronten und Missverständnisse in Wien und Berlin hoffentlich schnell aus dem Weg räumen lassen.

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