Die Welt in Bewegung: Herausforderungen für die liberale Ordnung
Die liberale Weltordnung gerät ins Wanken: Wachsende Ungleichheit, Kriege, Krisen und die Politik von Politikern wie Trump werfen Fragen auf. Kann das bestehende System die globalen Probleme lösen, oder steht die Welt vor einer neuen Ordnung?
Die Welt in Bewegung: Herausforderungen für die liberale Ordnung / Photo: DPA (DPA)

Während die Welt sich der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts nähert, durchläuft die bestehende globale Ordnung eine Phase tiefgreifender Selbstreflexion. Die Grundpfeiler der liberalen Wirtschaftsordnung – Freihandel, Multilateralismus, internationale und supranationale Institutionen sowie marktorientierte Ansätze – haben in den letzten Jahren darin versagt, wirtschaftliche Ungleichheiten zu beseitigen und gesellschaftliche Probleme zu lösen. Dies zeigt sich nicht nur in der zunehmenden Einkommenskluft zwischen Individuen, sondern auch in den wachsenden Ungleichgewichten zwischen Ländern.

Wirtschaftliche Ungleichheiten, Pandemie, Klimakrise, Kriege und regionale Konflikte sowie globale Migrationsbewegungen haben die Unzulänglichkeiten der von der liberalen Ordnung propagierten Prinzipien des freien Marktes offenbart. Insbesondere seit 2014 haben Migrationswellen, die vor allem aus Syrien in Richtung der entwickelten Länder strömen, und die restriktive Haltung dieser Länder gegenüber diesen Bewegungen Begriffe wie Weltbürgerschaft in Frage gestellt. Laut Statista starben zwischen 2014 und 2024 über 22.000 Migranten im Mittelmeer. Dabei handelt es sich lediglich um dokumentierte Fälle; die tatsächliche Zahl dürfte mit nicht erfassten Vorfällen noch erheblich höher liegen.

Die Vorteile der liberalen Ordnung kommen nicht der breiten Masse der Weltbevölkerung zugute, sondern konzentrieren sich auf eine kleine Elite. Während das reichste ein Prozent einen Großteil des globalen Vermögens kontrolliert, kämpfen Milliarden von Menschen darum, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Dieses Bild zeigt deutlich, dass die liberale Ordnung kein nachhaltiges Modell darstellt und dringend reformiert werden muss.

World Economic Forum und das Fehlen von Inklusion

Das World Economic Forum (WEF), eine der führenden Institutionen der liberalen Ordnung, das derzeit seine Sitzungen für 2025 abhält, bietet eine wichtige Plattform zur Suche nach Lösungen für globale Probleme. Allerdings wird das WEF häufig als eine Institution kritisiert, die die Interessen der wirtschaftlichen Eliten priorisiert. Trotz Anspruchs auf Inklusion und Förderung des gesellschaftlichen Nutzens enden die vom Forum vorgeschlagenen politischen Maßnahmen oft zugunsten großer Unternehmen und entwickelter Länder. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit des WEF und begrenzt seine Fähigkeit, effektive Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln.

Insbesondere bei Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit zeigen die vom WEF vorgeschlagenen Strategien eher Ansätze, die wirtschaftlichen Gewinn über die Beschleunigung der grünen Energiewende stellen. Dies führt zu einer Zunahme von Umweltkatastrophen und langfristigen wirtschaftlichen Instabilitäten. Wenn das WEF tatsächlich eine führende Rolle einnehmen will, muss es inklusivere Politiken entwickeln und sich neu definieren, um den Bedürfnissen breiter gesellschaftlicher Schichten gerecht zu werden.

Laut Weltbank nahm die extreme Armut 2020 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder zu, während das extreme Vermögen seit Beginn der Pandemie dramatisch gestiegen ist. Während in den letzten zehn Jahren die Hälfte des neu geschaffenen Wohlstands in die Hände der Superreichen fiel, zeigt ein neuer Bericht von Oxfam, dass fast zwei Drittel (42 Billionen US-Dollar) des seit 2020 geschaffenen neuen Vermögens an das reichste ein Prozent gingen. Dies ist fast das Doppelte dessen, was die restlichen 99 Prozent der Weltbevölkerung zusammen verdient haben.

Während die Vermögen der Milliardäre täglich um 2,7 Milliarden US-Dollar wachsen, kämpfen mindestens 1,7 Milliarden Arbeiter in verschiedenen Ländern ums Überleben. Eine globale Steuer von fünf Prozent auf Superreichen und Milliardäre könnte jährlich 1,7 Billionen US-Dollar einbringen – genug, um zwei Milliarden Menschen aus der Armut zu befreien.

Donald Trumps Politik und die Neugestaltung der globalen Ordnung

Donald Trump begann seine zweite Amtszeit mit Superlativen und großen Ankündigungen, die die bestehende liberale Ordnung weiter schwächten. Bereits am ersten Tag machte er von zahlreichen Entscheidungen Gebrauch, die nicht nur die Politik seines Vorgängers Joe Biden rückgängig machten, sondern auch die Mechanismen der globalen Zusammenarbeit ins Visier nahmen. Diese Maßnahmen können als Ausdruck der Probleme und Unzulänglichkeiten der liberalen Wirtschaftsordnung gesehen werden.

Eine der auffälligsten Aktionen war der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Trump bezeichnete das 2015 unterzeichnete Abkommen als „wirtschaftliche Last“ für die USA und rief einen nationalen Energie-Notstand aus, um die Förderung von Öl und Gas in Alaska zu unterstützen. Dieser Schritt untergrub die Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit und schwächte die globale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Klimakrise. Doch nicht nur Trumps Politik wird in diesem Kontext kritisiert – auch die liberale Ordnung selbst muss ihre Versäumnisse in der Umweltpolitik hinterfragen, da im Kampf gegen den Klimawandel kaum Fortschritte erzielt wurden.

Seine Entscheidung, die Beziehungen zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu beenden, zeigte ein wachsendes Misstrauen gegenüber multilateralen Institutionen. Trump begründete diesen Schritt damit, dass die WHO die COVID-19-Pandemie sowie andere internationale Gesundheitskrisen schlecht gehandhabt habe. Zudem warf er der Organisation vor, unabhängig von unangemessenen politischen Einflüssen der Mitgliedsstaaten nicht agieren zu können und von den USA unverhältnismäßig hohe finanzielle Beiträge zu verlangen – im Vergleich zu anderen großen Ländern wie China.

Tatsächlich war die WHO während der Pandemie nicht in der Lage, globale Gesundheitskrisen effektiv zu bewältigen. So wurde afrikanischen Ländern mit eingeschränktem Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen nicht ausreichend geholfen. Stattdessen wurden Produkte wie Impfstoffe, Masken und Medikamente primär unter den entwickelten Ländern verteilt. Diese Situation verstärkte nicht nur die Ungleichheit im globalen Gesundheitssektor, sondern führte auch zu einer erneuten Debatte über die Rolle und Struktur multilateraler Organisationen in der Bewältigung globaler Krisen.

Europäische Union und Führungskrise

Einer der Akteure, die am stärksten von der Krise der liberalen Ordnung betroffen sind, ist die Europäische Union (EU). Obwohl die EU als Verteidigerin multilateraler Zusammenarbeit und liberaler Werte gilt, fällt es ihr schwer, diese Rolle angesichts des Aufstiegs der extremen Rechten, der Stärkung rassistischer Bewegungen, interner wirtschaftlicher und politischer Probleme sowie eines Mangels an Führung effektiv auszufüllen.

Deutschland, traditionell als Lokomotive der EU angesehen, hat in den letzten Jahren Schwierigkeiten, sowohl wirtschaftlich als auch politisch eine klare Richtung vorzugeben. Seit dem Rücktritt von Angela Merkel ist das Land sowohl in der Innenpolitik als auch in der EU mit einem spürbaren Führungsdefizit konfrontiert. Zudem ist die politische Stabilität in Deutschland seit über einem Jahr schwach, während die extreme Rechte an Einfluss gewinnt.

In Frankreich führen politische Spannungen zu Instabilität, und in Ländern wie Österreich steigt der Einfluss der extremen Rechten erheblich an. Dass die rechtspopulistische FPÖ in Österreich kurz davor steht, die Regierung zu bilden, zählt zu den Faktoren, die den Zusammenhalt der EU bedrohen. Diese Entwicklungen schwächen nicht nur die Solidarität innerhalb der EU, sondern beeinträchtigen auch ihre Rolle als globaler Akteur.

Die EU, die als Verteidigerin der liberalen Ordnung auftritt, bleibt bei der Bewältigung der aktuellen Krisen weitgehend ineffektiv. Um ihre innere Solidarität zu stärken und eine neue Vision zu entwickeln, bedarf es dringend umfassender Reformen. Nur durch eine Neuausrichtung kann die EU ihre Position als stabilisierende Kraft sowohl innerhalb Europas als auch global wiedergewinnen.

Eine neue Vision ist erforderlich

Die aktuellen Krisen erfordern einen inklusiveren und kooperativeren Ansatz auf globaler Ebene. Institutionen wie das WEF und ähnliche Organisationen könnten in diesem Transformationsprozess eine Schlüsselrolle spielen. Dafür müssten sie jedoch die Interessen breiterer gesellschaftlicher Schichten vertreten, sich auf die Verringerung der Ungleichheiten zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern konzentrieren und konkrete Maßnahmen ergreifen.

Die Europäische Union könnte durch die Wiederherstellung ihrer inneren Solidarität eine führende Rolle auf globaler Ebene übernehmen. Dies scheint jedoch angesichts des Aufstiegs rechtsextremer Bewegungen in naher Zukunft wenig wahrscheinlich. Eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, den beiden zentralen Akteuren der EU, ist ebenfalls zunehmend schwieriger, da beide Länder sowohl innerhalb der EU als auch in der internationalen Politik unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Darüber hinaus müssen beide Länder umfassendere soziale und wirtschaftliche Politiken entwickeln, um den Aufstieg populistischer Bewegungen zu bekämpfen.

Die bestehende liberale Ordnung hat bei der Bekämpfung wirtschaftlicher Ungleichheiten und der Bewältigung globaler Krisen versagt. Eine Vision, die die Prinzipien von Multilateralismus und Kooperation neu definiert, ist entscheidend, um globale Stabilität zu gewährleisten. Die Welt muss die aktuellen Krisen als Chance begreifen, um eine inklusivere und nachhaltigere Zukunft zu gestalten.

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