Als Diaspora wird eine Gemeinschaft von Menschen bezeichnet, die in einem oder mehreren Staaten außerhalb der Grenzen des Heimatlandes verstreut leben. Heutzutage sind Diaspora-Gemeinschaften, die eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess wichtiger Themen wie Politik und Identität spielen, unverzichtbare Elemente für die Außenpolitik von Staaten. Entsprechend mobilisieren zahlreiche Länder ihre Diaspora in verschiedenen Teilen der Welt, um ihrem Anspruch als globale oder regionale Macht gerecht zu werden. Staaten nutzen diese Soft-Power und Diplomatie als Instrument und forcieren Aktivitäten über die Diaspora bzw. wollen diesen Bereich dauerhaft dynamisch fortentwickeln.
Aus diesem Grund binden Länder, die außenpolitisch Einfluss entfalten wollen, aktiv ihre Diaspora in ihre Strategie ein und setzen zahlreiche transnationale Aktivitäten mit der Diaspora um. Insbesondere Länder wie Irland, Indien, Mexiko, China und Armenien verfügen über Diaspora-Gemeinschaften, die eine beachtliche Anzahl an Personen umfassen und wichtige Funktionen im Namen dieser Länder erfüllen.
In diesem Sinne setzen sich Diaspora-Gemeinschaften für die Interessen ihrer eigenen Länder ein, indem sie „Lobbyarbeit“ betreiben und diesen Einfluss durch verschiedene Nichtregierungsorganisationen ausüben. So kann es auch von Zeit zu Zeit vorkommen, dass selbige einen negativen politischen Diskurs artikulieren und sich gegen ein Land oder eine Gruppe richten und dabei eine manipulative und aggressive Haltung gegenüber dem vermeintlichen Gegner einnehmen.
Armenische Lobby und ihre Anti-Türkiye-Haltung
Die armenische Diaspora, die ihren Einfluss vor allem in Ländern wie den USA und Frankreich geltend macht, tut sich in verschiedenen Bereichen mit einer aggressiven Anti-Türkiye-Stimmung hervor. Insbesondere im Rahmen der Beendigung der jahrzehntelangen Besetzung und der Befreiung von Berg-Karabach manipulierte die armenische Lobby die berechtigten Thesen von Türkiye und Aserbaidschan, indem sie ihren Einfluss auf die internationale öffentliche Meinung exzessiv nutzte. In ähnlicher Weise beeinflusst die armenische Lobby jedes Jahr im April die öffentliche Meinung in den USA auf verschiedenen Ebenen und bemüht sich, die Ereignisse von 1915 als sogenannten Völkermord zu definieren.
Tatsächlich bezeichnete Präsident Biden, der die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 für sich entschieden hatte, die Ereignisse von 1915 im Gegensatz zu seinem Vorgänger Trump als „Völkermord“. Um sich die Größe des Einflussbereiches und der zivilgesellschaftlichen Macht der armenischen Lobby, die vor den Wahlen intensive Unterstützung mittels Propaganda für Biden betrieb, vor Augen zu führen und zu untermauern, genügt bereits die erfolgreiche Durchsetzung einer Definition der historisch strittigen Thematik. Wenn man die Arbeit des „National Armenian Institute“ in Washington und dessen offizielle Webseite näher betrachtet, erschließt sich im Detail, wie deren Lobbyarbeit funktioniert.
Die armenische Lobby und die Absetzung der Serie „Atatürk“ durch Disney
Ein weiteres Thema, das in jüngster Zeit seitens der armenischen Lobby diskutiert wurde, ist die Absetzung der Serie „Atatürk“, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Republik Türkiye auf allen Disney-Plattformen ausgestrahlt werden sollte. Während die Vorbereitungen für die Serie noch liefen, starteten einflussreiche Lobbyisten und berühmte armenische Persönlichkeiten in den USA eine Kampagne, insbesondere in den sozialen Medien, und unternahmen verschiedene Versuche, die Serie zu verbieten. Zahlreiche Aktivisten, insbesondere die in den USA ansässige „ANCA“, forderten auf verschiedenen Plattformen unter dem Hashtag „cancel Ataturk series“ die Absetzung der Serie.
Am 3. Juli veröffentlichte die ANCA eine Erklärung, in der sie die historischen Ereignisse und Entwicklungen von 1915 als sogenannten Völkermord bezeichnete und überdies behauptete, die Serie „Atatürk“ würde die historischen Ereignisse zugunsten von Türkiye interpretieren und damit Atatürk legitimieren. Nach langen Diskussionen beugte sich Disney dem Druck der armenischen Lobby und verzichtete auf die Ausstrahlung der Serie auf seinen internationalen Plattformen bzw. zensierte die Serie, was dementsprechend als Erfolg des Drucks der armenischen Lobby in dieser Frage gewertet werden kann. Während Disneys Entscheidung von zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen in Türkiye, insbesondere von Politikern, kritisiert wurde, setzten viele Nutzer, die Mitglieder der Plattform waren, als Reaktion darauf ihre Mitgliedschaft aus.
Disneys Zensur und die Zukunft der Beziehungen
Disneys Umgang mit Atatürk, dem Gründer der türkischen Republik, dient sowohl der Politisierung eines Ereignisses der jüngeren Geschichte als auch der Verbreitung bestehender negativer Wahrnehmungen gegenüber Türken. Dass die armenische Lobby in den sozialen Medien über den Namen Atatürk die türkische Bevölkerung und Türkiye ins Visier genommen hat, verstärkt den latenten Rassismus, der im Westen seit langem existiert und seinen Weg in die Institutionen gefunden hat. Noch dazu untergräbt diese Absetzung, die aufgrund des massiven Drucks der armenischen Lobby im Ausland beschlossen wurde, auch den lange diskutierten Normalisierungsprozess zwischen Türkiye und Armenien. Diese Haltung des Unternehmens Disney, das nur die eigenen wirtschaftlichen Interessen im Auge hat, birgt damit auch ernsthafte Risiken für die Meinungs- und Pressefreiheit.