Seit dem Amtsantritt von Wladimir Putin haben Kreml und Weißes Haus zwei ernsthafte Anstrengungen unternommen, um normale partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen. Der erste erfolgte 2001, als der russische Präsident die Initiative ergriff, um George W. Bush bei seinen Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung nach dem Al-Qaida-Anschlag auf die Zwillingstürme zu unterstützen. Der zweite vollzog sich unter der Präsidentschaft von Dmitri Medwedew, als 2009 Sergej Lawrow und Hillary Clinton den „Neustart-Knopf“ drückten. Seitdem ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern von Konfrontation geprägt. Zunächst gingen die USA zum Angriff über, indem sie die NATO erweiterten und die sich etablierenden Regime in den ehemaligen Sowjetrepubliken – Georgien, Ukraine und Kirgisien – stürzten. Moskau beklagte und kritisierte dies, konnte aber nichts dagegen unternehmen.
Mitte der 2010er Jahre änderte sich die Situation jedoch. Moskau fing an, sich zu behaupten und ging sogar in die Offensive über. So führte ein weiterer Versuch eines Machtwechsels in Kiew 2014 zur Wiedervereinigung der Krim mit Russland und zur de-facto Abtrennung des Donbass von der Ukraine. Kiew verlor die Möglichkeit, der NATO beizutreten, da die Ukraine nun ein Land mit „problematischen Grenzen“ darstellt. Den zweiten Schlag versetzte Putin den USA in ihrem eigenen Einflussbereich – im Nahen Osten. 2015 entsandte Russland Truppen nach Syrien, verhinderte den Sturz von Baschar al-Assad und half ihm, die Kontrolle über große Teile des Landes wiederzuerlangen. Daneben modernisierte Russland seine Raketen und erlangte nicht nur die strategische Parität wieder, sondern überholte die USA sogar im Bereich der Hyperschallraketen.
USA können Russland nicht eindämmen
Die Liste der russischen Errungenschaften, die die USA beunruhigen, ließe sich endlos fortsetzen, etwa der Kauf der S-400-Systeme durch Ankara, der Bau von Nord Stream 2 sowie die Annäherung an China. Die Tatsache, dass Russland erstarkt ist, hat die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten jedoch nicht verbessert. Während sie früher durch Offensiven der USA verschärft wurden, muss sich Washington nun Gegenoffensiven aus Moskau stellen. Die Versuche, Russland maßzuregeln, scheitern. Trotz Sanktionen arbeitet Russland weiterhin mit Europa und China zusammen und baut Pipelines zu ihnen aus. Die kürzlich fertiggestellte Turkish-Stream-Pipeline wurde bis nach Ungarn verlängert und macht Europa noch abhängiger von russischem Gas.In dieser Situation erkennen die Vereinigten Staaten, dass sich eine fortgesetzte Konfrontation nicht auszahlt. Gleichzeitig zeigt sich Washington mit einem Präsidenten aus der Demokratischen Partei nicht zu Kompromissen bereit. Im Frühjahr 2021, als die Lage im Donbass zu eskalieren drohte, rief Biden dringend Putin an und vermittelte eine gewisse Entspannung. Bei einem Treffen in Genf am 16. Juni bekräftigten beide Präsidenten die Unannehmbarkeit eines Atomkriegs. Russische Experten werteten dieses Verhalten als Bereitschaft Bidens, Selenskij „auflaufen zu lassen“. Aus strategischer Sicht hat das Weiße Haus seine Unterstützung für die Ukraine jedoch nicht aufgegeben, denn das derzeitige antirussische Regime in Kiew ist immer noch das Ergebnis der Arbeit des damaligen Vizepräsidenten Biden und der stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland.
Strategisch gesehen ziehen sich die USA aus Eurasien zurück. Der Abzug der Truppen aus Afghanistan und die Verringerung der militärischen Präsenz im Irak und in Syrien sind Belege hierfür. Da Biden in seiner nationalen Sicherheitsstrategie Russland und China zu seinen Hauptkonkurrenten erklärt hat, muss Washington enge Beziehungen zu Kiew unterhalten und Taiwan, Hongkong, die Uiguren und die antichinesische Allianz (Japan, Südkorea, Australien) in Ostasien unterstützen, um Moskau und Peking in Schach zu halten.
Besuch von Nuland und die Ukraine-Krise
Dabei sollte der jüngste Besuch von Victoria Nuland in Russland keineswegs als unlogisch angesehen werden. Bidens Gesandte kam nicht nach Moskau, um mit dem Team von Lawrow über Zugeständnisse in der Ukraine zu verhandeln. Die Position zur Krim und zum Donbass bleibt dieselbe – beide Regionen müssen an die Ukraine zurückgegeben werden. Das State Department schätzt die Lage in Osteuropa jedoch nüchtern und realistisch ein. Ohne die Beteiligung und Berücksichtigung der Interessen Russlands, das die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine schützt, wird es keine Übereinkunft geben.
Die letzten Treffen im Minsk-Format haben trotz positiver Erwartungen zu keinem Ergebnis geführt. Kiew weigert sich, der DNR und LNR den Autonomiestatus zu gewähren. Die Volksrepubliken sind jedoch nicht bereit, ohne diese Garantien Teil der Ukraine zu bleiben. Die Verhandlungen im Format Russland-Ukraine-Frankreich-Deutschland (das Normandie-Quartett) haben an Glaubwürdigkeit und Bedeutung verloren. Darüber hinaus verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew weiter. Es ist bemerkenswert, dass die Zeitung „Kommersant“ am Tag von Nulands Ankunft in Russland einen Artikel des Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, veröffentlichte, in dem dieser weitere Verhandlungen mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij als „sinnlos“ bezeichnete und auf die Notwendigkeit hinwies, mit den direkt zuständigen Kontaktpersonen in den USA zu kommunizieren.
Da Moskau nicht bereit ist, sich auf Kiew einzulassen, und die Minsker Gespräche ins Stocken geraten sind, hängt das Schicksal der Ukraine zunehmend vom direkten Dialog zwischen Russland und den USA ab. Neben dem ukrainischen Fall gibt es eine ganze Reihe von Problemen, die sich zwischen Moskau und Washington angehäuft haben – Syrien, der Fall Skripal und Nawalny. Nur eines ist sicher: Ohne eine zumindest kosmetische Lösung der Krise in der Ukraine werden Russland und die Vereinigten Staaten in einer hochgradig konfrontativen Beziehung bleiben. Es wird zwar nicht zu einem Atomkrieg kommen, aber der kontrollierbare Kalte Krieg wird weitergehen, bis einer der Kontrahenten nachgibt.