Angriffe auf Politiker als Folge rechtsextremer Rhetorik
Als dieser Artikel über die brutale Attacke gegen den SPD-Politiker Ecke verfasst wurde, kam bereits die nächste Nachricht: Angriff auf Berlins Wirtschaftssenatorin Giffey. Wer inspiriert diese Kriminellen?
Matthias Ecke (SPD), Europaabgeordneter, spricht während einer Wahlkampfveranstaltung der sächsischen Sozialministerin. / Photo: DPA (DPA)

Die Stimmung in Deutschland ist aufgeheizt. Leider nicht zum ersten Mal in jüngster Zeit sind Politikerinnen und Politiker Opfer von verbalen und handgreiflichen Attacken geworden. Vergangenen Dienstag wurde jedoch ein neuer Tiefpunkt erreicht: SPD-Europapolitiker Matthias Ecke wurde in Dresden so brutal angegriffen, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Eilmeldungen überschlugen sich.

Stand der Dinge und das wichtigste zuerst: Ecke wird zum Glück genesen, aber der Schock in ihm wird bleiben. In Essen attackierte man den dritten Bürgermeister Rolf Fließ (GRÜNE) – und nun Franziska Giffey (SPD).

Bevor wir zu einer Bewertung der Ereignisse bezüglich der Motive kommen, sollten wir uns zunächst die Kommentare deutscher Mainstreammedien anschauen. Es macht Sinn, hier zunächst eine konservative Zeitung auszuwählen, um eine bessere Sichtung zwischen Mitte-Rechts und Extrem-Rechts vornehmen zu können.

„SPD-Politiker schwer verletzt: Das klingt nach Weimar“, titelte die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung, um dann weiter auszuführen: „Die brutale Attacke auf den sächsischen SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke kommt nicht überraschend – leider. Das der Politiker beim Plakatieren von einem Schlägertrupp junger Männer in SA-Manier mitten in Dresden schwer verletzt wurde, ist der traurige Höhepunkt einer Vielzahl von Übergriffen und Vorfällen in diesem Wahlkampfjahr. Es ist auch ein direkter Angriff auf die Demokratie und ihre in Parlamenten gewählten Volksvertreter.“

Dann wird Autor Thomas Holl noch deutlicher: „Von rechtsextremer Seite, zu denen auch Teile der AfD zählen, werden Volksvertreter von Union, SPD, Grünen und FDP als ‚Volksverräter‘ denunziert, mit denen nach dem angestrebten Machtwechsel ‚abgerechnet‘ werde.“

Die meisten Täter der jüngsten Attacken sind bereits dingfest gemacht worden, die Ermittlungen laufen. Interessant in diesem Zusammenhang sind aber im Besonderen zwei Dinge.

Erstens: Eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Sachsen geht davon aus (die Süddeutsche Zeitung und andere berichteten am 6. Mai), dass einer der vier Täter, die Ecke attackierten, der „Kategorie politisch-motiviert rechts“ zuzuordnen ist. Zufallsstatement oder basierend auf langjährigen Umfeldermittlungen?

Zweitens: Wenn man zwischen den Zeilen konservativer und liberaler Medien (etwa FAZ und SZ) liest, scheint ein Konsensus zu existieren. Dieser erkennt hier einen Angriff rechtsextremer Strömungen – inklusive Teile der AfD – nicht nur auf linke politische Ideen, sondern auf die deutsche Demokratie an sich.

Rechtsextremismus doch keine Gefahr?

Sollte man Influencer in Meinungsbeiträgen erwähnen? Falls es Sinn macht, um etwa positive oder negative Strömungen, die im Netz zirkulieren, publik zu machen – natürlich. Henning Rosenbusch ist laut eigenen Angaben ein unabhängiger Journalist, der meistens über deutsche Politik berichtet und von knapp 70.000 Menschen gelesen wird. Anscheinend hat er in jüngster Zeit vor allem Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Visier.

Hier ein Auszug aus seinem Instagram-Auftritt: „Das Problem sind dabei aber nicht nur Politiker wie Nancy Faeser. Längst ist es viel größer geworden. Als Faeser im Sommer 2023 auf der Bundespressekonferenz der staunenden medialen Öffentlichkeit ihre ganz persönliche Definition von Extremismus vorstellte, auf die sie ihren ‚Kampf gegen rechts‘ ausdrücklich stützt, waren die dort versammelten Journalisten damit ganz zufrieden. Niemand hatte mehr eine Nachfrage zur Überschreitung des Verfassungsdenkens.“

Niemand wirft ihm eine Nähe zum Rechtsextremismus vor; Influencer müssen aber Acht geben, wie ihre Worte eventuell missverstanden werden können. Was aber besonders verwundert, ist die Annahme, dass wenn die Bundesregierung Rechtsextremismus als Gefahr ansieht, dort theoretisch eine Aushöhlung der Verfassung vermutet wird. Und genau hier liegt die Gefahr:

Man denke hier besonders an einen AfD-Vertreter, der vor kurzer Zeit die Neuordnung des Amtes für Verfassungsschutz im Falle seines Wahlsieges im Bundesland Thüringen vorschlug. Der MDR berichtete am 1. März „der zweite Punkt auf der Agenda eines Ministerpräsidenten [Björn] Höcke wäre die ‚Demokratisierung‘ des Verfassungsschutzes. ‚Demokratisieren‘ meint in Höckes Welt sämtliche Kompetenzen der Behörde zur Überwachung extremistischer Bestrebungen zu beschneiden. (…) Dieser Verfassungsschutz wird keine Gesinnungsschnüffelei mehr betreiben.“

Die gewaltbereite Saat säen – wer trägt wirklich die Schuld?

Demokratie lebt vom offenen Meinungsaustausch. Aber egal, ob aktiv in der Welt der offiziellen Medien oder der Welt der sozialen Medien: Worte haben Gewicht und müssen sorgfältig abgewogen werden. Und wenn eine politische Partei öffentlich die Umstrukturierung des Verfassungsschutzes im Wahlkampf propagiert, muss man sich nicht wundern, wenn deren Anhänger denken, Verfassungsschutz sei eine schlechte Sache. Demokratie basiert auf dem Schutz der Verfassung.

Die AfD zum Beispiel wurde selbst oft Ziel von verbalen und handgreiflichen Attacken, aber die Ursache für eine Verrohung des gesamtgesellschaftlichen Diskurses ist dennoch eindeutig dieser Partei zuzuschreiben.

Wer undifferenziert gegen Migration vorgehen möchte, Integrationspolitik ablehnt, Ausländer am liebsten nach Hause schicken würde – ohne zu erkennen, dass Deutschland ihr zu Hause ist, eine Religion (Islam) als Ursache allen Übels erklärt und generell am demokratischen Diskurs nicht mehr teilnimmt, muss sich der Folgen bewusst sein. Es sei denn – und da kommen wir noch einmal auf den Kommentar in der FAZ zurück – es ist genau so gewollt, um Chaos zu schaffen.

Die abscheulichen Angriffe auf deutsche Politikerinnen und Politiker sind das Resultat einer schleichenden Verrohung des öffentlichen Diskurses. Jetzt scheint man aufzuwachen, aber das Umfeld wurde geschaffen. Es ist 5 vor 12 – aber noch nicht zu spät.

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