Berlins Neue Synagoge und der Maurische Stil im Herzen Europas
Die Neue Synagoge in Berlin gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke im Maurischen Stil. Die jüdische Gemeinde betrachtete diesen Baustil als Reminiszenz an eine Zeit größerer religiöser Freiheit – die Ära von Al-Andalus.
Die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße im Ortsteil Mitte von Berlin. (TRT Deutsch)

von Burcu Karaaslan

Zum mittlerweile 155. Mal jährte sich anlässlich des jüdischen Neujahrsfests Rosch haschana im vergangenen September die feierliche Einweihung der Neuen Synagoge in Berlin. Nicht nur für die jüdische Gemeinschaft in der Bundeshauptstadt ist das Bauwerk jedoch von höchster Bedeutung. Auch die muslimische Bevölkerung schaut mit Faszination vor allem auf die Architektur, die es prägt und die auch aus ihrer Wahrnehmung etwas sehr Vertrautes an sich hat.

Der Grund dafür ist der Stil, in dem das Gebäude konzipiert und errichtet worden war. Die Synagoge im Berliner Ortsteil Mitte war ein Projekt des Architekten Eduard Knoblauch. Dieser ließ sich in seinem Schaffen vom Maurischem Stil inspirieren – und dieser sollte am Ende auch das Gebäude prägen, dessen Fertigstellung Knoblauch selbst nicht mehr erleben durfte. Vollendet wurde das Werk August Stüler, die Einweihungszeremonie fand 1866 statt.

Stilrichtung prägte nicht nur geistliche Baukunst

Die maurische Architektur ist nach den Mauren benannt, einem nordafrikanischen Volk, das im 8. Jahrhundert n. Chr. die Iberische Halbinsel und zahlreiche Inseln im westlichen Mittelmeer eroberte. Die Mauren herrschten anschließend für mehrere hundert Jahre über das heutige Spanien, Portugal und die Pyrenäenregion in Frankreich.

Sie waren Muslime und wurden entsprechend stark von der islamischen Architektur beeinflusst, die sich im Nahen Osten entwickelt hatte. Obwohl nach wie vor Moscheen die bekanntesten Beispiele für maurische Architektur geben, verbreiteten sich deren Motive auch in der Gestaltung von Wohnhäusern und Geschäftsräumen.

Das maurische Design ist bekannt für seine kunstvollen Verzierungen mit bunten Fliesen- und Gipsmustern. Es vereint unterschiedliche Aspekte von abstrakter Geometrie über florale Motive bis hin zu arabischer Kalligrafie, Hufeisen- und Mehrbögen sowie wabenförmigen Gewölben, die „Muqarnas“ oder auf Spanisch „mocárabe“ genannt werden.

Maurischer Stil als Hommage an Epoche der Freiheit

Auch nach dem Ende der muslimischen Ära in Spanien und Portugal wurden die Traditionen der maurischen Architektur besonders in Europa fortgesetzt. Im neomaurischen Stil zeigt sich, dass sowohl Christen als auch Juden in Europa und später auch in Amerika in der maurischen Architektur Inspiration fanden.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden sich in ganz Südwesteuropa Anklänge an die muslimische Ära. Allerdings waren viele der mittelalterlichen Moscheen zwischenzeitlich in katholische Kathedralen umgewandelt worden. Seit der Rückeroberung der Iberischen Halbinsel, mit der Vertreibung und Verfolgung jüdischer und muslimischer Gemeinden einhergingen, war der größte Teil Europas unter christlicher Kontrolle.

Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts gewannen viele jüdische Gemeinden in Mittel- und Osteuropa langsam an sozialen, politischen und wirtschaftlichen Freiheiten – auch wenn diese häufig mit verstärktem Assimilationsdruck einhergingen. Die lokalen Regierungen erlaubten den jüdischen Gemeinden zum ersten Mal den Bau großer und auffälliger Synagogen.

Ab den 1810er Jahren wurden in Großstädten wie Dresden, Berlin und Prag prächtige Gotteshäuser errichtet. Viele von ihnen enthielten maurische Gestaltungselemente. Die Entscheidung, diese zu verwenden, hatte für das jüdische Volk eine besondere Bedeutung. Von jüdischer Seite betrachtete man den maurischen Stil als Ausdruck einer Zeit, in der die Gemeinden ein hohes Maß an kultureller und religiöser Freiheit genossen hatten. Die Entscheidung, islamische oder maurische Designelemente zu verwenden, stellte damit eigentlich eine Form stolzer Behauptung des jüdischen Erbes dar, die westlichen imperialen Vorstellungen vom Osten trotzte.

Die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße im Ortsteil Mitte von Berlin. (TRT Deutsch)

Neue Synagoge in den Kriegsjahren weitgehend zerstört

Bis zum berüchtigten Kristallnacht-Pogrom im November 1938, bei dem die Synagoge von Nazi-Anhängern angegriffen und schwer beschädigt wurde, genossen die jüdischen Bürger zumindest auf dem Papier volle Gleichberechtigung und Bürgerrechte, wie sie in der preußischen Verfassung von 1850 verankert waren.

Gottesdienste fanden in der Neuen Synagoge bis 1940 statt. Das Gebäude wurde anschließend von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und 1943 durch alliierte Bombenangriffe fast vollständig zerstört und niedergebrannt.

Die Regierung der DDR, auf deren späterem Gebiet sich die Synagoge befand, bewahrte nur die Hauptfassade des Gebäudes als Gedenkstätte, da dies den einzigen unversehrt gebliebenen Teil der Synagoge darstellte. Der Hauptsaal musste 1958 abgerissen werden. Die Vorderseite des Gebäudes wurde in der Zeit von 1988 bis 1991 teils mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung wieder aufgebaut, die Kuppel wurde 1991 rekonstruiert und ist mittlerweile auch wieder für Besucher zugänglich.

Die Alhambra und ihre Bedeutung für das maurische Volk

Das bedeutendste Bauwerk der Maurischen Ära war die Alhambra, die eine bedeutende Stadtburg auf dem Sabikah-Hügel von Granada in Spanien darstellte. Sie gibt Zeugnis davon, dass die Iberische Halbinsel, das Gebiet des heutigen Spaniens und Portugals, zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert Teil des ausgedehnten Gebiets von Al-Andalus war. Die Anlage gilt bis heute als eines der bedeutendsten Beispiele für den Maurischen Stil innerhalb der islamischen Kunst. Heute ist sie eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Europas und seit 1984 UNESCO-Weltkulturerbe.

Zur Zeit der Mauren erfreuten sich die Einheimischen eines beträchtlichen wirtschaftlichen und kulturellen Reichtums, da die Region nicht nur innerhalb der islamischen Welt, sondern weltweit als Leuchtturm der Bildung und des Fortschritts galt. Al-Andalus profitierte von den engen Beziehungen zwischen Christen, Juden und Muslimen, die allen Beteiligten gleichermaßen nutzten. Jeder konnte innerhalb des damaligen muslimischen Emirats seine Religion frei ausüben, ungeachtet der Vorlieben des jeweiligen Herrschers.

Die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße im Ortsteil Mitte von Berlin. (TRT Deutsch)
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