Studie: Telegram dient als „Radikalisierungsspirale“
Einer Studie zufolge haben Rechtsextreme ihre Online-Strategie wegen staatlicher Kontrollen angepasst. Forscher werteten Verlinkungen auf mehr als 200 Telegram-Kanälen aus. Der Onlinedienst Telegram dient demnach als „Radikalisierungsspirale“.
Studie wertet 200 Kanäle aus: Telegram dient als „Radikalisierungsspirale“ (AFP)

In Reaktion auf staatliche Kontrolle und behördliche Auflagen für soziale Netzwerke haben Rechtsextreme und Kritiker der Corona-Maßnahmen ihre Online-Strategie einer neuen Studie zufolge angepasst. Besonders das Onlinenetzwerk Telegram sei dabei ein Stützpfeiler der rechtsextremen Szene und wichtiger Bestandteil ihrer Radikalisierungsstrategien, heißt es in dem Bericht der Extremismusforscher des Institute for Strategic Dialogue Germany (ISD Germany), der den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorlag.

Telegram „strategische Radikalisierungsspirale“

Um nicht von etablierten Plattformen wie Youtube oder Facebook gesperrt zu werden, würden die Extremisten dort auf offen rechtsextreme Inhalte verzichten, sagte der Co-Autor der Studien Christian Schwieter, den Zeitungen. Stattdessen würden sie dort aber auf ihre Telegram-Kanäle verweisen. Diese trügen harmlose Namen wie „Fluthilfe“ oder „Hochwasserkatastrophe“. Dort würden dann aber „äußerst antisemitische und rechtsextreme Inhalte“ verbreitet. Es sei eine „strategische Radikalisierungsspirale“, sagte Schwieter. Und es sei eine Strategie, die durch die Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes „befeuert“ worden sei. Für die Analyse „Stützpfeiler Telegram. Wie Rechtsextreme und Verschwörungsideolog:innen auf Telegram ihre Infrastruktur ausbauen“ hat das ISD Germany laut den Funke-Zeitungen sowohl Chat-Nachrichten als auch Verlinkungen etwa von Texten, Videos und Fotos aus knapp 240 öffentlichen Telegram-Kanälen ausgewertet. Telegram sei das zentrale Sammelbecken, das andere Plattformen wie Twitch, Dlive oder Bitchute miteinander verbinde, heißt es demnach in der Studie.

„Poweruser“ verbreiten extremistische und antisemitische Inhalte

Auf diesen alternativen Plattformen würden staatlich vorgeschriebene Lösch- und Meldepflichten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes oft nicht greifen, sodass extremistische und antisemitische Inhalte verbreitet werden könnten, sagte Schwieter. Dabei seien sogenannte „Poweruser“ zentral, die in der Lage sind, eine große Anzahl an Anhängerinnen und Anhängern an sich zu binden und auf neue Plattformen zu bewegen. Der Verschwörungsideologe Attila Hildmann sei ein solcher „Poweruser“, genauso Martin Sellner, der Kopf der sogenannten „Identitären Bewegung“. Sollte der Stützpfeiler Telegram wegbrechen, würden sich zwar Alternativen bilden, es sei aber „extrem schwierig“ und zeitintensiv, die alten Netzwerke wieder aufzubauen, sagte Schwieter den Funke-Zeitungen. Wichtig sei, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz durch die Behörden konsequent Anwendung finde, sagte Studien-Autor Schwieter. Das sei bislang sowohl bei Telegram als auch bei alternativen Plattformen schwierig, da Deutschland nicht genug Druck aufbauen könne. Auf europäischer Ebene bietet laut Schiweter jedoch das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Regulierung digitaler Dienste, der sogenannte Digital Services Act, die Möglichkeit, Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen.

AFP