Scholz: Rassistischer Brandanschlag von Solingen ist Mahnung für uns
Vor 30 Jahren sind fünf türkeistämmige Menschen bei einem rassistischen Brandanschlag in Solingen ums Leben gekommen. Anlässlich des Jahrestages erinnern Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier an die Opfer.
Gedenkstätte. (Others)

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat an die Toten des rassistischen Brandanschlags von Solingen vor 30 Jahren erinnert. „Der rechtsextreme Mord an fünf Menschen mit türkischen Wurzeln mahnt uns, alle zu schützen, die hier leben, die Verbrechen zu ahnden und Opfern zu helfen“, schrieb er am Montagmorgen auf Twitter. „Mit Respekt für unsere vielfältige Gesellschaft können wir viel erreichen.“ Scholz postete ein Foto des damals ausgebrannten Hauses in Solingen und stellte die Namen der Toten dazu.

Steinmeier für wehrhaften Staat gegen rechte Hetze

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert als Lehre aus dem Brandanschlag von Solingen einen wehrhaften und wachsamen Staat. Es gelte, Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit die Stirn zu bieten, sagte Steinmeier am Montag bei der zentralen Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Anschlag, bei dem fünf türkischstämmige Mädchen und Frauen getötet wurden. „Jeder Mensch muss in unserem gemeinsamen Land in Sicherheit und Frieden leben können, und der Staat muss besonders diejenigen schützen, die ein höheres Risiko haben, Opfer von Gewalt zu werden.“

Wehrhafte Demokratie bedeute, stark zu sein gegen jene, die Hetze und Gewalt verbreiten und „die Vielfalt unseres Landes nicht wahrhaben wollen“, sagte der Bundespräsident laut Redetext. Auch alle Bürgerinnen und Bürger hätten eine Verantwortung und sollten Zivilcourage und Mut zeigen, statt schweigend oder gleichgültig auf Lügen, Hass und Hetze zu reagieren.

Steinmeier: „Diesen rechten Terror gab es vor Solingen, und es gibt ihn nach Solingen“

Steinmeier erinnerte an den „braunen Nährboden“ des Brandanschlags von Solingen und vieler weiterer rechtsextremer Taten etwa in Hoyerswerda, Saarlouis, Rostock-Lichtenhagen und Mölln, die sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben hätten, aber auch in jüngster Zeit in Halle und Hanau. „Es gibt eine Kontinuität von rechtsextremer und rassistischer Gewalt in unserem Land“, sagte der Bundespräsident. „Dieser rechte Terror ist verantwortlich für die Toten hier in Solingen. Diesen rechten Terror gab es vor Solingen, und es gibt ihn nach Solingen.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert einen wehrhaften und wachsamen Staat (DPA)

„Viel zu lange saß unser Land der durch nichts gestützten, aber ständig wiederholten Behauptung auf, es seien verblendete Einzeltäter, die ihr Unwesen treiben», kritisierte Steinmeier. „Die Strukturen dahinter und die Ideologie der Täterinnen und Täter wurden lange übersehen, ignoriert, teils auch verdrängt.“

Auch aus Sprache und Worten könnten Gewalttaten entstehen, mahnte der Bundespräsident und warnte Politiker davor, verbal um den rechten Rand zu buhlen oder „die Grenzen zwischen dem Unsagbaren und dem Unsäglichen“ zu verschieben. „Dann befeuern sie damit auch die Gewalt“, sagte er. „Der Brandanschlag von Solingen, der in der Zeit der polarisierten und hasserfüllt geführten Debatte um die Asylpolitik geschah, führt uns das drastisch vor Augen.“

Am 29. Mai 1993 starben fünf türkische Mädchen und Frauen, als Rechtsradikale das Wohnhaus der Familie Genç anzündeten: Saime Genç (4), Hülya Genç (9), Gülüstan Öztürk (12), Hatice Genç (18) und Gürsün Ince (27). Der Anschlag gilt als eines der schwersten rassistischen Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik. Kurz nach der Tat waren vier junge rechtsradikale Solinger im Alter zwischen 16 und 23 Jahren festgenommen worden. Sie waren der rechten Szene zuzuordnen und wurden 1995 wegen Mordes verurteilt.

epd