von Murat Sofuoğlu
Aufgrund des islamischen Fastenmonats Ramadan sind Länder mit einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung von einer besonderen Atmosphäre erfüllt - so auch die Türkei. Aber auch die nicht-muslimischen Gemeinden im Land zeigen sich erfreut über diese spezielle Zeit. Ihre Angehörigen beschreiben Erinnerungen und Assoziationen, die sie mit dem Ramadan verbinden.
Einer von ihnen ist Andon Parizyanos, ein ehemaliger Leiter der griechisch-orthodoxen christlichen Gemeinde. „In Istanbul wurde in den 1950er Jahren während des Ramadan jeden Abend eine Kanone abgefeuert, um die Menschen auf die Zeit des Fastenbrechens hinzuweisen“, erinnert sich Parizyanos. „Meine Großmutter wies mich an, vor das Haus zu gehen, um zu sehen, wann die Kanonenkugel abgefeuert werde. Wenn die Kanonenkugel mit einem lauten Knall abgefeuert wurde, sagte ich ihr Bescheid, und sie überbrachte Essen und Desserts, die sie für ihre muslimischen Nachbarn zubereitet hatte“, so der Istanbuler weiter.
Damals habe es einen sehr respektvollen Umgang der Menschen miteinander gegeben. Seine Großmutter habe ihn darauf hingewiesen, während der Fastenzeit aus Respekt den Muslimen gegenüber nicht auf der Straße zu essen.
An die klassischen Ramadan-Traditionen seiner Kindheit erinnert sich Parizyanos auch heute noch gerne und er legt immer noch Wert auf diese Kultur. „Meine Großmutter schickte mich immer zum örtlichen Bäcker, um eine heiße ‚pide‘ zu kaufen“, blickt der heute 73-Jährige zurück. Pide ist eine Brotsorte, die in der islamischen Fastenzeit besonders beliebt ist. „Auch heute noch kaufen wir in der Familie immer Ramadan-Pides. Eine solche Tradition wurde durch den Ramadan geboren.“
Die jüdische Gemeinde während des Ramadan
Auch die jüdische Gemeinde spürt die besondere Atmosphäre des Ramadan voll und ganz. „Wir fasten zwar nicht im Ramadan, aber wir fühlen und leben den Geist des Ramadan“, betont Moris Levi, ein führendes Mitglied der jüdischen Gemeinde in der Türkei.
Dabei lobt er die Besonderheiten des Fastenmonats. Jeder spreche über „Allah, den Glauben und gute Taten“. Der Ramadan inspiriere auch Levi, der darin laut eigenen Aussagen eine Möglichkeit zur Selbstreflexion sieht: „Das kann man nicht leugnen.“
Levi sehe auch Gemeinsamkeiten zwischen dem Ramadan und Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. In diesem Zusammenhang gibt er eine interessante Anekdote wieder: „Mein Großvater überlieferte mir eine sehr wichtige Erinnerung aus seiner Zeit in den frühen 1950er Jahren, als eine intensive jüdische Gebetszeit namens Selichot, die kurz vor dem Morgengrauen vor Jom Kippur abgehalten wird, und der Ramadan zufällig zur gleichen Zeit stattfanden.“ Sowohl Muslime als auch Juden hätten in der Türkei damals zusammen gebetet und gegessen.
Auch Syrisch-Orthodose Kirche in Istanbul würdigt den Fastenmonat
„Ich sitze während des Ramadan fast 15 Tage lang an Tischen zum Fastenbrechen“, teilt Sait Susin mit. Er ist der Vorsitzende der Stiftung der Syrisch-Orthodoxen Kirche in Istanbul. Die christliche Gemeinde erlebe den Ramadan ähnlich intensiv wie die Muslime.
Der 75-jährige Geschäftsmann lobt den gemeinschaftlichen Geist in der Türkei, der hunderte Menschen an einem Tisch zusammenbringen könne. Viele Kirchen in westlichen Staaten seien oft leer, beklagt er. In der Türkei würde jedoch unter anderem das Fasten „in vollen Zügen“ erlebt.