Geldsorgen und Einsamkeit belasten Studierende - Beratungsbedarf steigt
Die Studentenwerke verzeichnen in der Corona-Pandemie einen deutlich gestiegenen Beratungsbedarf. Die Krise stellt die Betroffenen finanziell und mental vor große Herausforderungen. Die Überbrückungshilfen sind bereits ausgelaufen.
4.10.2013, Brandenburg, Potsdam: Studienanfänger sitzen während ihrer ersten Juravorlesung in einem Hörsaal der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. (DPA)

Die Corona-Pandemie setzt Studierenden zu. Beim Studierendenwerk Kassel ist der Beratungsbedarf deshalb deutlich gestiegen. Die Nachfrage sei so hoch wie nie, sagte die
stellvertretende Geschäftsführerin, Julia Thonfeld, dem Evangelischen Pressedienst (epd). So habe die Sozialberatung, die auch bei finanziellen Fragen zur Seite steht, im vergangenen Jahr rund 2330 Einzelberatungen verzeichnet. Das sei ein Anstieg von 50 Prozent
gegenüber 2019.

Nothilfefonds als Anlaufstellen

Der Leidensdruck habe im zweiten Pandemiejahr zugenommen: Viele Studierende seien durch finanzielle Sorgen und Probleme bei der Jobsuche belastet und wüssten nicht, wie sie Miete, Strom und Krankenversicherung bezahlen sollten. Einige hätten sich verschuldet,
sagte Thonfeld. Deshalb sei auch der Bedarf nach Unterstützung aus dem Nothilfefonds des Studierendenwerks hoch, besonders nach dem Auslaufen der Überbrückungshilfen im September. 2021 seien 42.000 Euro ausgezahlt worden, die Hälfte im vierten Quartal. 2020 seien 39.000 Euro geflossen, 2019 hingegen nur 18.000 Euro.

Ratsuchende wenden sich auch vermehrt an die psychologische Beratung in Kassel. Psychologin Katja Hoffmann stellt fest, dass die Pandemie studienbezogene Probleme wie Tagesstrukturierung, Motivationsschwierigkeiten, Leistungsdruck oder Orientierungslosigkeit verstärke. Hinzu kämen Einsamkeit, Unsicherheit, Zukunftsängste, Überforderung, Geldnöte und Sorgen um Angehörige.

Nachfrage um 50 Prozent gestiegen

Auch in Marburg haben viel mehr Studierende die psychologische Beratung des Studentenwerks in Anspruch genommen. Die Nachfrage sei geschätzt um 50 Prozent gestiegen, sagte Sprecherin Franziska Busch. Die Wartezeit für Termine betrage rund eine Woche. „Neue Studierende, die zur Beratung kommen, erleben häufig Isolation und fühlen sich mit den Herausforderungen, die ein Studium ja auch gerade mental mit sich
bringt, auf sich selbst gestellt“, sagte sie.

Zu Beginn der Pandemie hätten viele ihren Nebenjob verloren, berichtete Eva Mohr vom Studentenwerk Gießen, das für die Justus-Liebig-Universität, die Technische Hochschule Mittelhessen und für die Hochschule Fulda zuständig ist. Zugleich seien viele Eltern
durch Kurzarbeit nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Kinder zu unterstützen. Die Sorge um die Finanzierung des Studiums sei damals „eines der zentralen Themen in den Beratungen“ gewesen. Jetzt scheine sich der studentische Arbeitsmarkt zu entspannen: „In unserer
Jobbörse finden sich wieder zahlreiche Angebote.“

2021 sei vor allem die Beratung von Studierenden mit Behinderung und chronischer Erkrankung gestiegen, erklärte Mohr. Insgesamt beschäftige die Studierenden vermehrt die Frage, ob ein Studium überhaupt das Richtige ist. Insbesondere unter Studienanfängern kämen verstärkt Zweifel auf, mit dem Tenor: „So habe ich mir mein Studium nicht vorgestellt.“

„Austausch untereinander fehlt“

Psychologin Hoffmann bestätigt den Eindruck: „Überwiegend wird allein im Zimmer gelernt, der Austausch untereinander fehlt, einige fühlen sich einsam und erschöpft, sind überfordert und frustriert.“ Auch jene, die über gute Ressourcen verfügen, ermüdeten allmählich. Das führe zu Unzufriedenheit: „Prüfungsphasen oder Hausarbeiten werden weniger gut bewältigt, was auch zu Studienzweifeln führt.“

Das Studentenwerk Frankfurt hat 2021 ebenfalls eine deutlich höhere Anzahl an Neuanfragen in der Beratung verzeichnet. Sprecherin Sylvia Kobus sagte, auffällig sei, dass die mentale Gesundheit in der Pandemie verstärkt thematisiert werde. Studierende, die schon eine psychische Erkrankung hatten, hätten auch mehr Beratungsbedarf gehabt und ihre Symptome hätten sich verstärkt. Auch aktuell litten noch viele unter den veränderten Rahmenbedingungen und einem Mangel an sozialen Kontakten.

epd