Deutschland wird für seine umstrittenen Maßnahmen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit von Palästina-Aktivisten heftig kritisiert.
In einem umstrittenen Schritt hat Berlin angekündigt, Personen, die den Slogan „Vom Fluss zum Meer...“ verwenden, die Staatsbürgerschaft zu verweigern. Dieser Slogan gilt als eine der bekanntesten Solidaritätsbekundungen für Palästina.
Israels Vernichtungskrieg gegen Gaza geht ins zweite Jahr. Der Sprechchor ist zum Symbol eines weltweiten Appells geworden. Er fordert das Ende der illegalen israelischen Besatzung. Außerdem sollen die illegalen Siedlungen aufgelöst werden. Das Ziel ist ein souveräner palästinensischer Staat, frei von israelischer Aggression.
Die repressive Politik Deutschlands gegen jede Form von pro-palästinensischem Aktivismus wird kritisiert. Sie widerspreche dem Anspruch einer fortschrittlichen und freiheitlichen Demokratie. Der politische Aktivist Mahmud Abu-Odeh bekam die ganze Härte der deutschen Repression zu spüren und wurde kriminalisiert. Er wurde wegen der Verwendung des Solidaritätsslogans angeklagt.
Abu-Odeh, Doktorand an der Universität Heidelberg, musste sich zweimal vor Gericht verantworten. Er erklärt, dass der Slogan für ein friedliches und gleichberechtigtes Palästina stehe. Trotz seiner Klarstellung wurde er in erster Instanz verurteilt. Er will gegen das Urteil Berufung einlegen.
„Die deutsche Regierung tut alles, um Israel vor Kritik zu schützen“, sagt er gegenüber TRT World.
Dabei zeigten Umfragen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Krieg Israels gegen Gaza nicht unterstütze.
„Wir erleben regelmäßig Gewalt gegen Frauen mit Kopftuch. Diese Frauen werden oft bei Demonstrationen gegen den Völkermord in Gaza angegriffen. Menschen verlieren ihre Jobs, weil sie bei der Arbeit das Palästinensertuch tragen. Andere werden vor Gericht gestellt, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nutzen. Sie setzen sich für die Menschenrechte ein“, sagt er.
Ähnlich äußert sich auch der Council on American-Islamic Relations (CAIR) zu der umstrittenen Entscheidung der Bundesregierung.
„Es ist bedauerlich, dass Deutschland einen historischen Ausdruck so interpretiert. Palästinenser verwenden diesen Ausdruck seit Generationen. Er drückt ihren Traum aus, in ihr gestohlenes Land zurückzukehren“, sagt Nihad Awad, Geschäftsführer von CAIR. „Wer könnte sich diesem Traum widersetzen? Nur die Kolonialmächte und das Siedlerregime. Diese entmenschlichen diejenigen, die nicht ihrer eigenen ethnischen Gruppe angehören“, sagte Awad gegenüber TRT World.
Islamophobie auf dem Vormarsch
In den letzten Jahren hat die Diskriminierung von Muslimen in Deutschland dramatisch zugenommen. Dieser Trend hat sich seit Beginn des israelischen Krieges gegen Gaza im Oktober 2023 deutlich verschärft. Viele fühlen sich zunehmend zur Zielscheibe gemacht.
Die politische Rhetorik rechtsextremer Gruppen hat die anti-islamische Stimmung weiter angeheizt und eine Atmosphäre der Angst und Ausgrenzung für diese Gemeinschaften geschaffen. „Wir haben die verheerenden Auswirkungen dieser drakonischen Politik erlebt“, so Awad.
Die deutsche Polizei habe mitten in der Nacht Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei würden Familien und Kinder terrorisiert. Dies geschehe nur, weil diese Menschen Palästinenser seien oder sich in der pro-palästinensischen Bewegung engagierten. Diese Bewegung trete für ein Zusammenleben auf der Grundlage von Respekt, Gleichheit und Gerechtigkeit ein, sagt Awad.
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vor einem starken Anstieg der Diskriminierung von Muslimen gewarnt.
Die Zahl der Diskriminierungsbeschwerden wegen Hass gegen Muslime steigt. Besonders betroffen sind muslimische Frauen mit Kopftuch auf dem Arbeitsmarkt, stellte die Behörde fest.
Diese Äußerungen folgten auf eine Warnung einer Berliner Menschenrechtsgruppe. Seit Beginn des israelischen Krieges in Gaza hätten Hassverbrechen gegen Muslime stark zugenommen.
Laut der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (CLAIM) wurden im Jahr 2023 mindestens 1.926 antimuslimische Vorfälle gemeldet. Darunter waren hunderte verbale Beleidigungen und Bedrohungen. Es gab 178 tätliche Angriffe, vier Mordversuche und fünf Brandstiftungen. Außerdem wurden 93 Fälle von Vandalismus und Sachbeschädigung gemeldet. CLAIM zeigte sich besorgt über die Zunahme der Gewalt. Rassistische Übergriffe haben im Vergleich zum Vorjahr um fast 114 Prozent zugenommen.
In einem Klima wöchentlicher Proteste und Existenzängste bieten deutsche Politiker einfache Lösungen an. Sie diskreditieren die Proteste und lenken von den wirklichen Problemen ab. Alles werde auf den Islam und die Zuwanderung geschoben, sagt Abu-Odeh.
Ein junger Muslim aus Deutschland berichtete von seinen Erfahrungen als pro-palästinensischer Student in Heidelberg. Es sei schwer, in einer islamfeindlichen und anti-palästinensischen Gesellschaft zu leben. Er habe bereits Konsequenzen erlebt. Es wäre gefährlich, sich offen zu äußern. Deshalb habe er sich entschieden, anonym zu bleiben.
Bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland werden Aktivisten oft angefeindet. Zionisten tauchen auf, um sie zu belästigen und zu bedrohen, berichten sie. Manchmal kommt es sogar zu Handgreiflichkeiten.
Der Student erinnert sich an einen Vorfall in Mannheim. Dort beobachtete er einen älteren Palästinenser, der friedlich eine große Fahne schwenkte. Der Mann störte nicht und durfte die Fahne zeigen. Plötzlich mischte sich ein Journalist in die Menge. Nach einer Weile ging die Polizei auf den Mann zu. Sie beschuldigte ihn, den Journalisten angegriffen zu haben. Sie behauptete, es gebe eine Anzeige gegen ihn. Der Student stand direkt neben dem Mann und sah nichts. Der Mann war schockiert und sagte, er habe nichts getan. Er fragte: „Was soll dieser Unsinn?“
Menschen in Deutschland würden Opfer von diskriminierenden, unbegründeten Anschuldigungen. Oft geschehe dies, weil sie sich für die Freiheit der Palästinenser einsetzen. Die Gesellschaft weigere sich, den andauernden „Völkermord“ anzuerkennen, erklärt der Student. Es sei sehr schwer, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Geschehnisse falsch seien. Er betont den Kampf, in einer Gesellschaft zu leben, die die Augen vor den Gräueltaten in Palästina verschließe. Neun von zehn Muslimen, die in Deutschland angegriffen werden, melden laut einer Studie von Human Rights Watch die Vorfälle nicht der Polizei. Viele haben demnach Angst, dass ihre Anzeigen abgelehnt oder ignoriert werden.
Liberale Demokratie nur dem Namen nach?
Pro-palästinensische Demonstrationen sind verboten. Öffentliche Diskussionen werden zensiert. Menschen, die sich online oder in der Öffentlichkeit für die Menschen in Gaza einsetzen, wird mit Strafverfolgung gedroht. Damit setzt Deutschland demokratische Werte aufs Spiel.
Die Entscheidung der Bundesregierung, freie Meinungsäußerung unter Strafe zu stellen, bezeichnet Awad als „drakonisch und autoritär“. Diese Entscheidung sei mit den Idealen einer freiheitlichen Demokratie nicht vereinbar.
Laut Awad begeht Deutschland eine neue Art von Ungerechtigkeit in seinem Versuch, die nationale Schuld des Holocaust aufzuarbeiten. Deutschland fügt den Palästinensern Schmerz und Leid zu. Diese Menschen hatten mit den Gräueltaten der 1930er und 1940er Jahre nichts zu tun.
Abu-Odeh zufolge verstärken die politischen Parteien den antimuslimischen und anti-palästinensischen Diskurs. Es gebe keine Partei, die die Interessen von Muslimen oder pro-palästinensischen Menschen in Deutschland vertrete.
„Palästinensische Stimmen werden isoliert. Sie werden diskreditiert und kriminalisiert. Schließlich werden sie als Randgruppe für alles verantwortlich gemacht, was schiefläuft“, so Abu-Odeh.