Als das Auswärtige Amt in Bonn am 30. Oktober 1961 mit der türkischen Botschaft die Regelungen zur Arbeitsmigration aus der Türkei beschloss, konnten nur die wenigsten die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten erahnen. In den rund 60 Jahren des gesellschaftlichen Zusammenlebens prägte die türkische Community Deutschland maßgeblich mit.
Dem Anwerbeabkommen mit der Türkei waren jene mit Italien (1955) sowie mit Spanien und Griechenland (1960) vorausgegangen.
Anwerbeabkommen als Antwort auf den Wirtschaftsboom
Hintergrund dieser Abkommen war der Nachkriegsboom. Auf die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg folgte in den 1950er und 1960er Jahren das sogenannte Wirtschaftswunder, das Deutschland einen deutlichen Aufschwung verlieh. Diese Entwicklung wurde jedoch von einem Mangel begleitet, das dem Land zu schaffen machte: Es fehlte an Arbeitskräften.
Mit der Unterzeichnung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens begann im Jahr 1961 die Ankunft türkischer „Gastarbeiter“. Gesunde, arbeitswillige Türken machten sich auf den Weg in ein für sie bis dahin vollkommen fremdes Land. Sie sollten später Berufe ausüben, für die sich viele Deutsche zu Schade waren. Die Gastarbeiter wurden in Fabriken und Bergwerken eingestellt, einige dienten als Müllmänner oder übten andere unbeliebte Tätigkeiten aus.
Laut Statistik bewarben sich bis 1973 mehr als zweieinhalb Millionen Türken um eine Arbeitserlaubnis in Deutschland. Zunächst war ein auf wenige Jahre befristeter Aufenthalt der türkischen Arbeitskräfte vorgesehen – sie waren schließlich „Gastarbeiter“. Die Fabriken bemerkten jedoch, dass das ständige Anlernen von neuen Arbeitskräften Zeit und Energie kostete. Die erlaubte Aufenthaltsdauer der türkischen Arbeiter wurde daher auf Drängen der Wirtschaft verlängert.
1973 folgte auf die Rezession in der deutschen Wirtschaft ein Anwerbestopp, es wurden keine weiteren Arbeitsverträge mehr geschlossen. Doch die bereits eingereisten türkischen Arbeiter bemühten sich zunehmend stärker um einen Familiennachzug, sodass die türkische Gemeinde immer größer wurde. Bis 1973 kamen knapp 900.000 Menschen aus der Türkei nach Deutschland. Bereits 1972 hatten diese die Italiener als größte Arbeitergruppe abgelöst. Heute Leben Schätzungen zufolge mehr als drei Millionen Türkischstämmige in Deutschland.
Große Beiträge der Türkischstämmigen für Gesellschaft
Mit der Zeit durchlebte die türkische Gemeinde einen Wandel. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde türkischstämmigen Kindern in der Bildung keine große Unterstützung angeboten. Infolge dessen entstand ein Bildungsdefizit. Doch vor allem in den letzten Jahren verbuchen Türkischstämmige wichtige Leistungen.
Zu einem anderen Wandel kam es in der Arbeitswelt. Während die ersten Einwanderer noch als Arbeitnehmer kamen, leisten heute viele ihrer Nachfahren
als Arbeitgeber der deutschen Wirtschaft einen wichtigen Beitrag.
Auch in anderen Bereichen wie Sport, Kunst oder Politik machen zahlreiche türkischstämmige Persönlichkeiten durch herausragende Leistungen auf sich aufmerksam. Als prominentes Beispiel hierfür gilt das Medizinerpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin, die mit der Entwicklung des Impfstoffes von Biontech/Pfizer weltweit für Schlagzeilen sorgten.
Rechtsextremismus und Diskriminierung Rassismus stellt ein weitreichendes Probleme dar, mit dem die Türkischstämmigen auch heute noch konfrontiert sind. Nach den Anschlägen in Mölln und Solingen folgte jüngst der Terror des immer noch nicht komplett aufgedeckten NSU-Komplexes, wodurch neun Menschen den Tod fanden.
Dass rassistische Anfeindungen immer noch ein Problem darstellen, wird auch jährlich durch offizielle Statistiken von Behörden belegt.