von Ali Özkök
Der in Pakistan geborene und im Alter von elf Jahren nach Großbritannien gekommene Anwalt Afzal Khan hat im Jahr 2017 bei den Unterhauswahlen in der Constituency Manchester-Gorton mit 76,3 Prozent der Stimmen das Mandat für Labour errungen und es im Vorjahr ungeachtet der landesweiten Schlappe seiner Partei mit 77,6 Prozent verteidigt.
Er setzt sich entschlossen gegen Islamophobie ein und hat in diesem Zusammenhang jüngst massive Kritik an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geübt. TRT Deutsch hat mit Afzal Khan gesprochen.
Sie haben jüngst deutliche Kritik an Frankreichs Konfrontationspolitik gegenüber öffentlich sichtbarem islamischem Leben geübt und das Land an seinen Leitspruch „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ erinnert. Wo sehen Sie die Gefahren an der Herangehensweise von Präsident Macron?
Ich bin in tiefer Sorge über die immer stärker in Erscheinung tretende Islamophobie in Frankreich, die in manchen Fällen sogar gesetzlich legitimiert wird. Die jüngste Gesetzgebung des französischen Senats bezüglich eines Kopftuchverbots für Mädchen unter 18 Jahren schafft das Risiko einer Ermunterung zum religiösen Hass auf Muslime und einer Frischzellenkur für bösartigste Erscheinungsformen von Islamophobie.
Es ist nicht die Aufgabe einer Regierung, Frauen zu sagen, was sie anzuziehen oder nicht anzuziehen hätten.
Neben dem Hijab-Verbot für Unter-18-Jährige gibt es in dem Gesetz noch eine Reihe weiterer Vorschriften, die besorgniserregend sind für die muslimische Community in Frankreich und darüber hinaus.
Das beinhaltet das an Eltern gerichtete Verbot, „sichtbare religiöse Symbole“ zu tragen, während sie Kinder auf Schulausflügen begleiten, das Tragen von „Burkinis“ und das Verbot von „Gebeten in Universitätsräumlichkeiten“ oder des „Zeigens ausländischer Fahnen auf Hochzeiten“.
Macron hat sich in Ablenkungstaktiken geflüchtet, wie jene der Stigmatisierung der muslimischen Minderheit. Diese Strategie umfasst das Aufblasen der „Laicité“ (der französischen Spielart von Säkularismus) und einen islamophoben Diskurs, der den Mythos verbreitet, Frankreich laufe Gefahr, seine Identität und seine Zukunft an vermeintliche islamistische Kräfte zu verlieren. Ich fürchte, Frankreich befindet sich damit auf einem gefährlichen Pfad, der nur zu einer Entfremdung seiner vier Millionen Menschen starken islamischen Community führen wird.
Im Vereinigten Königreich und in den USA ist das Verhältnis zwischen Regierung und religiösen Communitys traditionell von einem „wohlwollenden Säkularismus“ gekennzeichnet, der religiöse Glaubenssysteme respektiert. Derweil gewinnt in Kontinentaleuropa ein aggressiv-antireligiöser Zugang zum Säkularismus immer mehr an Boden, obwohl er nur die Spannungen in der Gesellschaft verstärkt. Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Ich denke, dass sich die politische Landschaft in Westeuropa seit 2001 dramatisch verändert hat. Eine große Anzahl an rechten, islamfeindlichen populistischen Parteien hatte Wahlerfolge zu verbuchen und in vielen westeuropäischen Ländern, darunter auch Frankreich, an Einfluss gewonnen. Sie behaupten, dass muslimische Einwanderer nach Europa „jüdisch-christliche“ Werte und ein solches Erbe gefährdeten. Ich finde eine solche Behauptung lächerlich, weil der Islam natürlich genauso eine abrahamitische Religion ist.
Ein plötzlicher Anstieg an Terroranschlägen, eine schwer unter Druck geratene Wirtschaft, ein langer Kampf um die Assimilation von Einwanderern, Misstrauen und Verzweiflung haben in Frankreich den säkularen Populismus gestärkt. Leider haben sich rechtsradikale Narrative über ganz Europa ausgebreitet, sogar bis ins UK. Nach dem Brexit gab es einen starken Anstieg an rechten Aktivitäten sowohl online als auch offline. Minderheiten zum Sündenbock zu stempeln und Themen wie die Einwanderung zu sensationalisieren sind klassische Ablenkungstaktiken, die genutzt werden, um Wählerstimmen zu bringen.
Wie würden Sie die derzeitige Situation der muslimischen Community in Großbritannien beschreiben? Ist sie weithin akzeptiert oder gewinnen islamophobe Tendenzen auch auf der Insel an Terrain?
Ich bin Vizechef der überparteilichen Parlamentariergruppe zu Britischen Muslimen, und unser 2018 herausgegebener Bericht „Islamophobia Defined: the inquiry into a working definition of Islamophobia“ hat enthüllt, dass Islamophobie im UK ein wachsendes und ernsthaftes Problem darstellt. Die Definition macht deutlich: „Islamophobie hat seine Wurzeln im Rassismus und ist selbst eine Form von Rassismus, die sich gegen vermeintliche oder tatsächliche Erscheinungsformen muslimischer Eigenheit richtet.“
Sie umfasst auch eine nicht erschöpfende Aufzählung kontemporärer Beispiele von Islamophobie. Diese Definition wird durch die Parteien hindurch anerkannt und mittlerweile auch von mehr als 800 Organisationen hier im Vereinigten Königreich.
Während der Pandemie ist die Anzahl an Online-Hassverbrechen gegen britische Muslime um 40 Prozent angestiegen, parallel zum Anstieg rechtsradikaler Narrative und Aktivitäten, und Zahlen der britischen Regierung zeigen, dass es sich im Vorjahr um den bisherigen Höchststand bei den von Jahr zu Jahr steigenden Fallzahlen gehandelt hat. Es ist die Aufgabe aller, auch der internationalen Gemeinschaft, gegen diesen heimtückischen Hass anzugehen und dessen Verbreitung zu verhindern.
Ich habe wiederholt den Premierminister dazu aufgefordert, etwas gegen die Islamophobie zu unternehmen, ich habe ihm letzten November angeschrieben während des „Monats zur Bewusstseinsbildung gegen Islamophobie“, aber ich warte immer noch auf Antwort. Die Regierung steckt immer noch die Köpfe in den Sand vor dem Problem und das ist nicht gut für die 2,5 Millionen britischen Muslime.
Sie haben in Ihrem Stimmkreis aus einer knappen absoluten Labour-Mehrheit eine stabile Drei-Viertel-Mehrheit gemacht. Was sehen Sie als Erfolgsrezept?
Ich empfinde unermesslich große Ehrfurcht und Dankbarkeit dafür, dass ich die Rückendeckung der Bürger meines Stimmkreises habe. Ich denke, mein „Erfolgsrezept“, wenn man es so nennen will, ist in meiner Philosophie zu suchen, den Menschen zu dienen. Der Islam lehrt uns die Wichtigkeit der Gleichheit, der Freigiebigkeit und der Sorge um den Mitmenschen.
Der Koran sagt: „Wer ein Leben rettet, handelt, als rette er die ganze Welt“. Das ist der Zugang, den ich zu allem habe, was ich tue. Im Jahr 2005 wurde ich der erste muslimische und asiatische Lord Mayor von Manchester und in meiner Amtszeit als Lokalpolitiker waren mir Kohäsion und die Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen am wichtigsten.
Ich habe das Muslimisch-Jüdische Forum in Manchester aufgebaut, das großartige interreligiöse und Gemeinschaftsarbeit leistet. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Brücken statt Mauern bauen müssen und Einheit viel machtvoller ist als Spaltung.
Ich bin stolz, jetzt Manchester-Gorton im Parlament zu vertreten, das ein enorm vielfältiger Wahlbezirk ist. Über 200 Sprachen, die in Manchester gesprochen werden, und dieser Multikulturalismus sind es, was unser Land stärker macht. Die Menschen in Gorton verstehen das und feiern es, und sie identifizieren sich mit Labour-Werten.
Ich höre den Menschen auch zu und reagiere auf jede Besorgnis, die meine Stimmkreisbürger artikulieren. Ich bleibe entschlossen, Diskriminierung zu bekämpfen, Armut zu bekämpfen, Menschenrechte zu verteidigen und jungen Menschen Chancen zu geben. Für mich wird immer Manchester-Gorton zuerst kommen.
Vielen Dank für das Gespräch!