Die nordrhein-westfälische Landespolitik steht vor einer Zäsur: In der kommenden Woche soll während der laufenden Legislaturperiode ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Verkehrsminister Hendrik Wüst (46) soll Armin Laschet (60) als Regierungs- und CDU-Landeschef im bevölkerungsreichsten Bundesland nachfolgen. Die hauchdünne Mehrheit der schwarz-gelben Regierungsfraktionen im Landtag in Düsseldorf lädt die Wahl des neuen Ministerpräsidenten mit Spannung auf.
677 Delegierte sollen Wüst zum Vorsitzenden wählen
Die Weichen für die anstehenden Spitzenpersonalien stellt am Samstag ein Landesparteitag in Bielefeld. Die 677 Delegierten sollen Wüst zum Vorsitzenden wählen. Gegenkandidaturen wurden nach Parteiangaben bislang nicht angemeldet. Laschet hatte den 46-Jährigen am 5. Oktober nach Beratungen des Landesvorstands und der Landtagsfraktion als seinen Nachfolger an der Partei- und Regierungsspitze vorgeschlagen. Laschet hatte sich als Kanzlerkandidat der Union festgelegt, auch im Falle eines Scheiterns bei der Bundestagswahl nicht in seinen Ämtern in NRW zu bleiben. Der 60-Jährige führt den mit rund 122.000 Mitgliedern größten CDU-Landesverband seit 2012. Zuletzt war er 2018 mit 96,3 Prozent der gültigen Delegiertenstimmen und seinem damit besten Ergebnis zum dritten Mal wiedergewählt worden. Pandemiebedingt sind die regulären Vorstandswahlen seitdem überfällig. Am Sonntag kommt dann die CDU-Landtagsfraktion zu einer zweitägigen Klausurtagung in Kamp Lintfort zusammen. Für Montag ist bereits ein Bericht des neuen Landesvorsitzenden vorgesehen. Fraktionschef Bodo Löttgen hatte bereits angekündigt, dass die CDU von dort aus voraussichtlich einen Antrag auf eine Sondersitzung zur Wahl des Ministerpräsidenten für den 27. Oktober stellen werde.
Kommt Wüst im ersten Wahlgang ans Ziel?
Der Landtag trifft dafür bereits interne Vorkehrungen. Vorgesehen ist bislang ein einziger Tagesordnungspunkt, nur mit der Wahl - ob Wüst schon im ersten Wahlgang ans Ziel kommt, ist keinesfalls sicher. Nur eine einzige Stimme sichert CDU und FDP mit ihren 100 von insgesamt 199 Landtagsabgeordneten eine Regierungsmehrheit. Die muss bei der Ministerpräsidentenwahl geschlossen stehen. Das heißt, mögliche Krankheitsausfälle im Regierungslager könnten nicht - wie bei „normalen“ Abstimmungen - durch Enthaltung aus Kulanzgründen im Oppositionslager ausgeglichen werden. Wüst braucht zumindest im ersten Wahlgang mindestens 100 Stimmen.
Einfache Mehrheit im zweiten Wahlgang ausreichend
Im zweiten Wahlgang sinkt die Hürde, wie ein Sprecher des Landtags erläuterte. Wenn nur ein einziger Kandidat antritt, braucht der im zweiten Wahlgang bloß ein einziges Votum mehr an gültigen Ja-Stimmen als Nein-Stimmen abgegeben wurden. Allerdings kann auch die Opposition theoretisch die Gelegenheit nutzen, einen Bewerber für das Ministerpräsidentenamt ins Rennen zu schicken. Dann gewinnt im zweiten Wahlgang die Person die Wahl, die die meisten Stimmen erhalten hat (einfache Mehrheit).
Laschet will bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober Ministerpräsident bleiben, möchte Wüst aber in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter noch mitwählen. Laut Landesverfassung ist es möglich, gleichzeitig Bundestags- und Landtagsabgeordneter zu sein.