Die Außenminister der EU-Staaten beraten am Freitagnachmittag bei einer außerplanmäßigen Videokonferenz über mögliche Reaktionen auf die Entwicklungen in Belarus sowie im Erdgaskonflikt zwischen Griechenland und der Türkei.
Mehrere EU-Staaten hatten zuletzt gefordert, mit einer Reaktivierung von Sanktionen gegen die belarussische Führung auf die umstrittene Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag zu reagieren. Die Opposition im Land prangert an, Staatschef Alexander Lukaschenko habe die Abstimmung massiv fälschen lassen.
Im Falle der Türkei fordern involvierte Staaten wie Griechenland und Frankreich ebenfalls Strafmaßnahmen. In Europa gibt es jedoch zahlreiche kritische Stimmen, die sich gegen eine Sanktionierung der Türkei zugunsten von Griechenland aussprechen könnten.
Im Gespräch mit TRT Deutsch äußerte sich der außenpolitische Sprecher der Europäischen Kommission, Peter Stano, grundsätzlich zuversichtlich über das Verhältnis der EU zur Türkei: „Nun, wir hoffen natürlich, dass es im östlichen Mittelmeerraum zu einer Deeskalation kommt. Und das Treffen der Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten konzentriert sich genau darauf, wie wir diese Deeskalation erreichen können. [...] Aber glücklicherweise haben wir am Donnerstag gesehen, wie Präsident Erdoğan gesagt hat, dass der einzige Weg zur Lösung der Probleme der Dialog ist, und genau das ist unsere Position.“
„Wenn es Probleme gibt, wenn es Streitigkeiten gibt, müssen wir uns hinsetzen und die Probleme durch Dialog lösen. [...] Und jetzt ist es verfrüht, darüber zu spekulieren, ob man über Sanktionen sprechen wird“, sagte der Sprecher des Leiters der EU-Diplomatie, Josep Borrell.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu führte im Vorfeld des EU-Treffens Konsultationen mit Amtskollegen aus Italien, Ungarn, Finnland, Bulgarien und Rumänien. Die Türkei weist die Vorwürfe illegaler Bohrungen zurück und vertritt den Standpunkt, dass die Gewässer, in denen sie probeweise nach Erdgas bohrt, zu ihrem Festlandsockel gehören.
Athen verfolgt einen maximalistischen Ansatz bei der Aufteilung der maritimen Seegrenzen. Die Türkei soll demnach – als Land mit einer der längsten Küsten im Mittelmeerraum – bei der Exploration von Energiereserven möglichst leer ausgehen.
Frankreich führt Kriegsmanöver mit Griechenland
Zur Unterstützung Griechenlands hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diese Woche die französische Militärpräsenz im östlichen Mittelmeer verstärken lassen. Frankreich, das auch den Warlord Khalifa Haftar im Libyen-Krieg gegen die international anerkannte Regierung unterstützt, gilt in der EU als einer der größten Unterstützer Griechenlands bei der Auseinandersetzung mit dem NATO-Partner Türkei.
Die militärische Gemengelage im Mittelmeer heizt sich indes weiter auf. Nach Meldungen des griechischen Staatsfernsehens haben umfangreiche Manöver griechischer und französischer Kriegsschiffe südlich von Kreta stattgefunden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte am Donnerstag mit Präsident Erdoğan, um Möglichkeiten zur Lösung des Konflikts auszuloten. „Wir sind immer hier und bereit, Konflikte durch Dialog auf einer gerechten Basis zu lösen“, signalisierte der türkische Präsident Erdoğan noch am Montag erneut die Dialogbereitschaft der Türkei. Die Türkei kündigte am Montag an, das Forschungsschiff „Oruç Reis“ werde bis zum 23. August weiterhin in der Region im Einsatz sein.
EU gegen „Verschärfung der Spannungen“
Von einer Konfrontation hält auch Stano nichts. „Wir müssen reden. [...] Und eine Verschärfung der Spannungen liegt weder im Interesse der EU, noch im Interesse der Türkei, denn niemand profitiert davon“, forderte der EU-Sprecher.
„Wir würden natürlich gerne über alle Missstände und die Probleme, die die Türkei wahrnimmt, die die Europäische Union für die Türkei verursacht, diskutieren“, so Stano. „Aber wir erwarten von der Türkei auch, dass sie sehr offen auf unser Feedback eingeht.“
Die Türkei sei ein sehr wichtiger Nachbar „an unseren östlichen Grenzen“. Auch historisch gesehen sei das Land ein sehr wichtiger Partner, betonte Stano. „Wir haben viele Austauschmöglichkeiten. Wir haben viele Menschen aus der Türkei, die in der Europäischen Union leben, arbeiten oder sie besuchen. Viele Menschen aus Europa besuchen die Türkei, mich eingeschlossen. Ich liebe es, in meinen Sommerferien in die Türkei zu fahren. Und wir sehen, dass wir so viel gemeinsam haben. Was wir gemeinsam haben, ist die gemeinsame Geschichte.“
Unterstützung Frankreichs „Zeichen der Solidarität“
Auf Nachhaken von TRT Deutsch über die Einmischung Frankreichs im Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei sagte der EU-Sprecher: „Man kann es als eine Konfrontation sehen oder man kann es als ein Zeichen der Solidarität sehen, dass wir bereit sind, uns zu verteidigen, dass wir bereit sind, unseren EU-Mitgliedstaat zu verteidigen.“ In der Türkei wird immer wieder moniert, dass die EU nicht unparteiisch genug als Vermittler auftritt.
Sollten sich die Minister auf neue EU-Sanktionen verständigen, müssten diese anschließend noch in einem schriftlichen Verfahren beschlossen werden. Bei Videokonferenzen können keine formellen Beschlüsse gefasst werden.